Politdrill in Chinas Schulen: Aus lauter Liebe zur KP
An jedem ersten Montag im Monat müssen Schulkinder in China vor der Fahne der Kommunistischen Partei stramm stehen. Chinas Mikroblogger sind empört.
PEKING taz | Chinesische Grundschulkinder treten auf ihren Schulhöfen nicht mehr nur zum Appell vor der Nationalfahne an, sondern auch vor der Parteiflagge mit Hammer und Sichel. Um ihre "Liebe zur Kommunistischen Partei zu stärken", so berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, sollen die Schulen künftig an jedem ersten Montag im Monat die Parteifahne hissen, dieser Tag heißt von nun an "Jungpionier-Tag". Diese Neuerung sei nur eine in der großen Reihe von Aktivitäten anlässlich des 90. Jahrestags der Parteigründung, der am 1. Juli gefeiert wird.
Die Meldung wäre sicher im Meer der täglichen Informationen untergegangen, wenn Chinas Mikroblogger nicht wären: "Jetzt ruinieren sie auch noch unsere Kinder", klagte am Mittwoch ein Blogger unter dem Namen "Vogel Phoenix" auf der chinesischen Twitter-Schwester "T.sina". Das Land gehöre "dem Volk und nicht der Partei".
Schnell meldete sich ein anderer, der sich dafür aussprach, "auch noch die Armee-Flagge" zu hissen. Ein dritter forderte die KP auf, den Kindern zu erklären, warum die Korruption vor allem unter ihren Mitglieder so verbreitet sei.
Nur zwanzig Minuten, nachdem er seinen ersten Kommentar zum Thema Parteiflaggenappell getwittert hatte, verschwand der Eintrag von "Vogel Phoenix" auf mysteriöse Weise aus dem Mikroblog - die Zensoren hatten auf die Löschtaste gedruckt.
Die schnelle Antwort der Internet-Kontrolleure am Mittwoch war nur eines von vielen Anzeichen einer wachsenden Paranoia der Behörden in China angesichts der unberechenbaren Wirkung von Informationen, die sich per Mikroblog verbreiten.
Erst am Wochenende hatten Unbekannte zu einer "Jasminrevolution" nach arabischem Vorbild mit Protestaktionen in 13 Städten Chinas aufgerufen. Den Zensoren kommt deshalb jetzt schon ein alltäglicher Begriff wie "Jasmin" verdächtig vor, selbst das populäre Volkslied "Lieblicher Jasmin" hört sich neuerdings ein bisschen subversiv an.
Zhou Yongkang, Chinas oberster Sicherheitswächter und in der Partei zuständig für Polizei, Staatsschutz und Geheimdienste, forderte die Funktionäre des Landes am Wochenende auf, die Gesellschaft besser zu "managen". Sie sollen Probleme an der Wurzel packen und eine "nationale Datenbank" mit grundlegenden Informationen über die Bevölkerung aufbauen.
Dutzende Bürgerrechtler stehen inzwischen unter Hausarrest, sind verhaftet oder verschwunden. Einige wurden misshandelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen