: Polens Kirche am Scheideweg
■ Streit um das Kloster in Auschwitz spaltet Primas, Papst und katholische Laien in Polen
Primas Glemp ist gegen, der Papst ist für die Verlegung des Karmeliterinnenklosters in Auschwitz. Unvermittelt ist damit ein in der politischen Auseinandersetzung in Polen im Grunde zweitrangiger Konflikt zu einer Art Lackmustest im Kampf um Pluralismus geworden. Auf der einen Seite die Intellektuellen um den 'Tygodnik Powszechny‘, die für eine pluralistische Demokratie, Meinungsvielfalt und eine Öffnung der Kirche bei gleichzeitiger politischer Selbstbeschränkung eintreten, auf der anderen Seite die Kirchenhierarchie um Primas Glemp und seine seltsamen Berater, die die politische Liberalisierung und den entstehenden Pluralismus als Bedrohung für die Macht der Kirche sehen. Diese Strömung, die auch nicht vor antisemitischen Parolen zurückschreckt, kann im Vatikan nicht mit Verständnis rechnen.
Es ist in Polen ein offenes Geheimnis, daß der 'Tygodnik Powszechny‘ seine Debatten über die dunklen Punkte der polnisch-jüdischen Geschichte, seine Annäherung an Israel und seine Unterstützung für Polens nationale und religiöse Minderheiten nur mit Unterstützung des Papstes gegen die Hierarchie durchsetzen konnte. Deutlich wurde dies, als Primas-Berater Micewski vor zwei Jahren unter Protest die Redaktion des 'Tygodnik‘ verließ und eine eigene Zeitschrift gründete. Für die Mannen um Primas-Berater Giertych und seinen nationalistischen Verlag „Wort und Tat“ ist Turowiczs Zeitung ohnehin nur ein „Judenblättchen“. Wenn Leute wie er im Machtkampf innerhalb der Hierarchie tatsächlich die Oberhand gewinnen sollten und Polens aufgeklärte Laienbewegung damit in ein nationalistisches Korsett gezwungen würde, wäre dies mehr als nur ein Rückschritt. Angesichts des immer noch großen Einflusses der Kirche in Polen wäre es eine ernste Gefahr für Liberalisierung und Reformpolitik und damit auch ein Schlag ins Gesicht des liberalen Katholiken und Regierungschefs Mazowiecki.
Klaus Bachmann
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