■ Polen würde gerne beim 8.-Mai-Gedenken dabeisein: Was Kohl nicht will
Wie man es macht, es wird falsch sein. Zu den Feierlichkeiten am 8. Mai in Berlin sollen nur die Signatarmächte des Potsdamer Abkommens eingeladen werden, erklärt Helmut Kohl. Dazu habe Polen nicht gehört, weshalb auch Lech Walesa nicht eingeladen werde. Lade man Polen ein, müsse man auch Tschechien, Belgien und andere Mitglieder der Anti-Hitler- Koalition einladen.
In Polen hält man dagegen, das eigene Land sei nicht nur Mitglied dieser Koalition gewesen, sondern auch erstes Opfer des Zweiten Weltkriegs. Aber erstes Opfer Hitlers war die Tschechoslowakei, und Walesa einzuladen, Havel aber nicht, wäre ja nun wirklich ein undenkbarer Affront. Wenn allerdings alle ehemaligen Alliierten kämen, würde aus dem Gedenktag ein internationales Spektakel werden. Den Vorwurf mußte sich Lech Walesa vor einem Jahr anläßlich des 50. Jahrestags des Warschauer Aufstands auch anhören. Und dennoch hat er Roman Herzog eingeladen.
Auch Kohls Begründung, die vier Signatarmächte von Potsdam hätten 1990 den „entscheidenden Beitrag zur Wiedervereinigung“ geleistet, klingt in polnischen Ohren mehr als hölzern. Polens Intellektuelle sind der Ansicht, Deutschland habe vor allem Polen die Einheit zu verdanken. Sie unterstützten die deutsche Einheit schon, als die meisten Deutschen sich längst mit der Teilung abgefunden hatten. War Polen nicht das erste Land gewesen, das sich erfolgreich und friedlich gegen jene Ordnung von Jalta auflehnte, die die deutsche Teilung zementiert hatte? Hatte die Regierung Mazowiecki die ostdeutschen Botschaftsflüchtlinge nicht aufgenommen und dabei das Auslieferungsabkommen mit der DDR gebrochen?
Im deutsch-polnischen Verhältnis ist viel von Dialog und Versöhnung die Rede – aber über solch grundlegende Ereignisse wie die deutsche Einheit reden Deutsche und Polen immer noch aneinander vorbei. Klaus Bachmann, Warschau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen