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Polen und „Unsere Väter, unsere Mütter“Botschafter relativiert Kritik

Der Mehrteiler wird im Nachbarland scharf kritisiert. Das ZDF bedauert und der polnische Botschafter schwächt seine ursprünglichen Vorwürfe ab.

Szenenbild aus dem umstrittenen ZDF-Mehrteiler. Bild: dpa

WARSCHAU taz | Polens neuer Botschafter in Berlin, Jerzy Marganski, relativierte am Donnerstag seine zuvor scharf formulierte Kritik am dreiteiligen ZDF-Spielfilm „Unsere Mütter, unsere Väter“. Statt den schriftlich erhobenen Vorwurf an den Sender zu wiederholen, dass „der obskure Antisemitismus“ der polnischen Film-Partisanen diese „kaum von den deutschen Nazis“ unterscheide, verwies er im ZDF-Morgenmagazin nur mehr darauf, dass diese Szene nicht die „ganze Wahrheit“ widerspiegele

Die Polen wüssten durchaus, so Marganski, dass es in den Reihen der Heimatarmee AK auch Antisemiten gegeben habe. Dies werde im Land auch breit diskutiert. Daneben habe es aber auch Menschen wie den Widerstandskämpfer Witold Pilecki gegeben, der freiwillig ins deutsche KZ Auschwitz gegangen sei, um mehr über die Zustände im Lager zu erfahren und den Widerstand im Lager zu organisieren.

Prof. Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam und einer der wissenschaftlicher Berater des Filmes, stellte die umstrittenen Partisanen-Szenen im Film als „realistisch“ und „durch Dokumente belegt“ dar. Szenen wie die vor dem Zug, als einer der Partisanen über die in den Viehwaggons eingesperrten Juden sagt: „Juden sind genauso widerwärtig wie Kommunisten und Russen“ habe es in dieser oder ähnlicher Form in der Okkupationszeit in Polen gegeben. Im Film lassen die Partisanen den Zug mit den gefangenen Juden in der Hitze stehen, ohne die Türen zu öffnen.

„Die Polen fühlen sich ungerecht behandelt“, kommentiert Marganski. Die Zug-Szene sei deshalb kritikwürdig, weil sie ein Randphänomen zu einem Hauptcharakterzug der polnischen Widerstandskämpfer erkläre: Allerdings, das muss dann auch der Botschafter zugeben, verdankt der deutsche Jude Viktor letztendlich sein Leben den polnischen Bauern und Partisanen. Eine außerordentlich positive Rolle spielt im Film die ehemalige Zwangsarbeiterin Alina, die zusammen mit Viktor flüchtet, ihm das Leben rettet und ihn dann als Partisanin vor den anderen Partisanen schützt.

Inkompetente Historiker

Zudem zeigte der Dokumentarfilm, den das ZDF im Anschluss an den Spielfilm ausstrahlte, authentisches Filmmaterial aus den Jahren 1941 bis 1945, kommentierten Zeitzeugen und Historiker den Vernichtungskrieg von SS und Wehrmacht, dem auch polnische Partisanen und Zivilisten zum Opfer fielen.

Dass durch Polen wieder einmal eine Hasswelle gegen die angeblich ewigen Nazis im Nachbarland schwappte, geht auf einen in allen Medien breit diskutierten Kommentar in Polens größter Tageszeitung Gazeta wyborcza zurück. „Wer erklärt den Deutschen, dass die AK nicht die SS ist?“ fragte Bartosz Wielinski die polnischen Leser und suggerierte, dass es im Nachbarland wohl niemanden gäbe, der dies tun könnte.

Den Historikern, die das Filmteam wissenschaftlich berieten, sprach der polnische Journalist jede Kompetenz ab. Die Deutschen wollten den Polen „sicher nicht mit Absicht einen Teil der Verantwortung für den Holocaust in die Schuhe schieben“, räumt er ein. Doch „Ignoranz und Dummheit“ seien weit verbreitet, ähnlich wie im Fall der deutschen Journalisten, die „ständig die fehlerhafte Formulierung 'Polnische KZ' verwenden“ würden.

Das ZDF bedauerte gegenüber Polens Botschafter, dass die Darstellung einiger Polen in der Serie „als ungerecht und verletzend empfunden“ würde, wies jedoch Vorwürfe einer Verfälschung der Geschichte zurück: „In keiner Weise sollten historische Tatsachen oder gar die Verantwortung der Deutschen relativiert werden.“

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12 Kommentare

 / 
  • P
    Pole

    Bogdan Musial war beteiligt,

     

    http://www.se.pl/nasze-matki-nasi-ojcowie,276114/

     

    man hat ihn aber völlig ignoriert. Objektive Deutsche Historiker kann man mit der Lupe suchen.

  • D
    Deutsch-Pole

    @Starost

    "Wurde dieses auffällige Detail auch vom polnischen Historiker moniert?!"

     

    Nein, es waren ja eben keine polnischen Historiker beteiligt. Sonst wären diese auffälligen historischen Fehler bezüglich Gleiwitz/Gliwice bzw. Ratibor/Racziborz und eben dem Aktionsraum der Widerstandsgruppe sowie der völlig falschen Darstellung der Armia Krajowa in Bezug auf Juden überhaupt nicht aufgetreten.

     

    Offensichtlich waren überhaupt keine Historiker bei diesem Filmprojekt eingebuden. Oder es waren inkompetente deutsche Historiker die von polnischer Geschichte keine Ahnung haben.

  • S
    Starost

    Ahistorisch war es auf jeden Fall, die entsprechenden Szenen mit "Gliwice" und "Raciborz" zu untertiteln, gehörten diese Städte doch zur fraglichen Zeit unter den Namen Gleiwitz und Ratibor zum Altreich, und polnische Partisanen haben sich deshalb dort auch nicht getummelt, dazu benötigten Partisanen nämlich von jeher die Unterstützung der ortsansässigen Bevölkerung.

    Wurde dieses auffällige Detail auch vom polnischen Historiker moniert?

  • P
    Pole

    Die AK rettet im Film EINEN Juden und läßt einen ganzen WAGGON ungeöffnet in den Tod weiter fahren.

     

    Und diese schwachsinnige zusammenstellung soll uns die damaligen Verhältnisse authentisch wiedergeben ?

     

    Sowohl die deutschen Historiker, als auch die Filmemachber sind entweder ignorant oder abgrundtief zynisch. Dummheit wäre die dritte Alternative.

     

    Hier die Fakten.

     

    "300,000 Poles were directly engaged in rescuing Jews even though the threat of death did act as a deterrent."

     

    "Over 700 Polish heroes, murdered by Germans as a result of helping and sheltering their Jewish neighbors, were posthumously awarded the title Righteous Among the Nations"

     

    http://en.wikipedia.org/wiki/%C5%BBegota

     

    Einmalig im damaligen Europa ! und im Film überhaupt nicht ersichtlich.

  • H
    Holzer

    Opfer,Täter die Übergänge waren in diesen schlimmen Zeiten fließend!Einfach mal Salomon Morel googeln!Ist den Polen hoch anzurechnen das Sie versucht haben jedes begangene Unrecht zu ahnden!

  • D
    DerDemokrator

    @Anna

     

    von Anna:

     

    >„Die Polen fühlen sich ungerecht behandelt“

     

    >Viele Deutsche auch

     

    Das beschreibt die Situation am besten, ohne Tatsachen anzurühren.

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • D
    dillinger

    Ich zitiere: "... die angeblich ewigen Nazis." Die Taz ist der andauernd die Nazi-Keule schwingenden Polen müde - und das zurecht.

     

    Witzig finde ich nur, dass gerade die Taz sich bemüßigt fühlt, Deutschland zu verteidigen - jenes Land, an dem sie ansonsten in aller Regel nicht ein gutes Haar läßt.

  • G
    Gunter

    Die selbstgerechten Deutschen sollten auf ihrem Sofa mal darüber nachdenken mit welcher brutalen Wucht Polen 1939 von Deutschland und Russland attakiert wurde und wie schweinisch sich besonders die Deutschen dort benommen haben, wenn sie solche dümmlichen B Flime produzieren und senden. Das macht einen schlechten Eindruck einen sehr schlechten sogar.

  • M
    Meister

    Antisemitismus ist in Polen nichts neues. Wenn man den Polen den Spiegel vorhält reagieren diese wie alle Ertappten. Ich erinnere an das durch Polen begangene Massaker in Jedwabne im Juli 1941. Oder am 4. Juli 1946 in Kielce wo 40 Personen massakriert wurden. Der Film gibt historisch korrekte Fakten wieder, daran ändert auch das Gezeter der polnischen Presse nichts. Es geht hier auch nicht um Vergleiche zwischen Deutschen und Polen. Denn Unrecht bleibt Unrecht, da ändert die Nationalität nichts daran.

  • D
    Deutsch-Pole

    Die Kritik von polnischer Seite ist absolut berechtigt. Wenn in einem deutschen Kriegsepos schon die deutschen Protagonisten und ihr Umfeld differenziert dargestellt werden, dann darf man das von den polnischen Verhältnissen erst Recht verlangen! Hier wird den Polen bzw. dem Untergrundstaat als ganzes mörderischer Antisemitismus unterstellt. Das ist nicht zulässig!

     

    Dabei geht es nicht darum, den polnischen Antisemitismus zu leugnen. Den gab es vor dem Krieg, während des Krieges und auch danach. Natürlich gab es Schandflecken wie Jedwabne und die sogenannten Szmalcowniki, die Juden versteckten und auspressten und dann doch an die Deutschen verrieten. Es gab Leute die Juden aus den unterschiedlichsten Motiven töteten oder verrieten. Das sind Dinge die angesprochen und thematisiert werden müssen, keine Frage. Eine solche Aufarbeitung findet derzeit auch in Polen statt, das beweise einige polnische Filme zu diesem Thema.

     

    Aber ein Fokus nur allein auf diese Aspekte ist zu Einseitig, geradezu Geschichtsumdeutung! Die Geschichte der Juden in Polen ist ambivalent, gerade was den zweiten Weltkrieg betraf. Um der Realität gerecht zu werden, müssen schon stets beide Seiten betrachtet werden!

     

    Denn wenn Polen in seiner Gesamtheit wirklich so antisemitisch war, wie kann es dann möglich sein, dass Polen die überhaupt größte Gruppe der geehrten in Yad Vashem ausmachen? Die polnische Exilregierung, der ihr angeschlossene Untergrundstaat sowie ihre Unterorganisationen – darunter auch der bewaffnete Arm der Armia Krajowa – standen stets im Kampf gegen die nationalsozialistischen Besatzer und ihrer Vernichtungspolitik. Die Heimatarmee kooperierte mit jüdischen Widerstandsorganisationen und außerdem gab es innerhalb der AK auch jüdische Einheiten. Vorallem aber gehörte zum Untergrundstaat die Organisation ZEGOTA, sie rettete Juden aus Ghettos und Konzentrationslager, versteckte sie oder schaffte sie mit falschen Papieren aus dem Land. Das auspressen und verraten von Juden (siehe Szmalcowniki) stellte der Untergrundstaat unter Todesstrafe, wovon zahlreiche Urteile nachweislich auch vollstreckt wurden.Auch war es ein Jan Karski – Offizier der AK – der die Westalliierten über den Holocaust informierte, sogar bei Churchill und Roosevelt persönlich (man wollte ihm nur kein Glauben schenken!

     

    Es gab eben beides, das Negative und das Positive. Die Realität ist also differenzierter und das hätte man auch in diesem Film zeichnen können und müssen.

  • M
    menschenfreund

    Die polnische Reaktion zeigt, wie fragil das Verhältnis zwischen polnischen und deutschen Menschen und den beiden Staaten ist.

    Zu groß war das Leid, daß Deutsche über Polen gebracht haben, zu grausam die Retoure.

    Schade, daß es (noch) nicht möglich erscheint, positive Aspekte bei Deutschen- und zweifellos und nachweisbar auch negative Aspekte bei Polen zu Kriegszeiten sachlich zu behandeln.

    Bitte bedenken: Einige haben profitiert, die Masse der beiden Völker hat gelitten - jeder auf seine Weise.

    Galänge es doch, Leid gemeinsam zu bewältigen und über Verstehen zur Freundschaft zu kommen.

  • A
    Anna

    „Die Polen fühlen sich ungerecht behandelt“

     

    Viele Deutsche auch