Polen gegen Ostsee-AKW: "Nie Dziekuje"
Die Küstenstadt Mielno fürchtet das Aus für den Tourismus, falls dort ein neues AKW entsteht. Per Referendum wurde mehrheitlich gegen die Pläne aus Warschau gestimmt.
WARSCHAU taz | "Nein, danke!" Im ersten Referendum über ein Atomkraftwerk in Polen haben die Gegner des AKWs am vergangenen Sonntag einen Erdrutschsieg errungen. In dem Badeort Mielno an der Ostsee sprachen sich 94 Prozent der Einwohner gegen die Atompläne der Regierung in Warschau aus. Die Anwohner hatten damit ein Bürgerbegehren durchgesetzt.
Bis 2025 sollen in Polen die ersten beiden Atomkraftwerke stehen. Die polnische Regierung hatte Mielno erst vor kurzem in die Liste möglicher Standorte aufgenommen. Die Frist für deutsche Stellungnahmen zu den polnischen Atomplänen wurde deshalb bis zum 27. Februar verlängert. Mielno liegt 130 Kilometer östlich der Insel Usedom.
Die Einwohner des ehemaligen Groß Möllen sind vor allem darüber wütend, dass die Regierung es nicht einmal für nötig hielt, die Gemeinde auch nur von den Plänen in Kenntnis zu setzten. Zu ihrem Entsetzen erfuhren die Bewohner aus den Fernsehnachrichten, dass es demnächst mit ihren kleinen Pensionen, Gaststätten und Souvenirläden vorbei sein könnte, wenn die Bagger und Planierraupen anrollten.
Drohende Arbeitslosigkeit
Noch wirbt der Luftkurort mit 25 Kilometern feinem Sandstrand, einem Leuchtturm aus dem 19. Jahrhundert und dem Jamunder See. Sollte in Mielno demnächst ein Atomreaktor stehen, würden viele der rund 4.000 Einwohner, die zum größten Teil vom Tourismus leben, wohl arbeitslos werden.
Nach diesem "Ohne-uns-Referendum" der Einwohner von Mielno muss das staatliche Energiekonsortium PGE aber nach keinem alternativen Standort suchen. Zudem ist PGE-Chef Witold Drozdz davon überzeugt, dass die Möllener noch keine "inhaltliche Debatte" geführt und sich allein von ihren Ängsten hätten hinreißen lassen.
Die endgültige Entscheidung über den Standort für das erste Atomkraftwerk Polens fällt erst in zwei Jahren. Proteste gegen den polnischen Einstieg in die Atomenergie werden zwar immer lauter. Doch die wollen Premier Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerplattform PO und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak von der Bauernpartei PSL aussitzen. Aus Deutschland sind schon über 30.000 Protestschreiben bei der polnischen Regierung eingetroffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!