Point'n'clic: Bloß Appetithappen
■ Geheimnisse nur für Anfänger: Comicgeschichte auf CD-ROM
ComiczeichnerInnen hätten eine gute Chance, als ProgrammiererInnen für Computerspiele zu arbeiten, hieß es auf der Messe in New Orleans. Da liegt es nahe, eine CD-ROM mit 22 ComicautorInnen zu machen. Der Ausgangspunkt war aber nicht graphischer Art, sondern Ron Manns Dokumentarfilm „Comic Book Confidential“ von 1989, der in voller Länge auf CD- ROM vorliegt. Mann zeichnet darin die Entwicklung des Comics seit den Fünfzigern nach. Seine Sympathie liegt eindeutig beim Skurrilen oder Abseitigen. Von den frühen EC-Comics zieht er über Mad und Robert Crumb bis hin zu Art Spiegelman eine Verbindung. Interviews und wunderbare Filmdokumente der Comic-Hatz in den fünfziger Jahren zeigen den achtsamen Dokumentarfilmer Mann.
So interessant dieser Film ist, so mäßig sind die über ihn hinausgehenden Informationen. 120 Seiten Comics enthält die CD- ROM, auf den ersten Blick scheinen das viele zu sein. Sie wurden aber auf 18 AutorInnen verteilt. Statt ein comicübliches Lesemaß von 48 Seiten pro AutorIn mitzugeben, bekommt man also bloß Appetithappen, und die sind nicht einmal auf einem 17-Zoll- Monitor ohne Hin- und Herschieben gut zu sehen. Dabei wissen ComiczeichnerInnen und -leserInnen, wie wichtig es ist, eine Doppelseite auf einen Schlag zu sehen, um einen Eindruck von der Seitendynamik zu bekommen.
Auch den auf der Box angekündigten Autorinnen ergeht es nicht immer gut. Zum Beispiel ist Françoise Mouly, die treibende Kraft beim legendären Magazin Raw, nur durch ein winziges Interview und ein Heftcover vertreten.
Manchmal auch scheinen beim multimediatypischen Setzen der Verbindungen die einfachen Dinge vergessen worden zu sein: Im Film spricht Frank Miller nur über den alten Batman und seine Adaption, als Leseprobe werden aber die ersten Seiten seines Samurai-Science-fiction-Crossovers „Ronin“ geboten. Auch die bio- und bibliographischen Angaben sind mager, beim Hinzufügen des Windowstreiber wurde offenbar die Bibliographie von 1993 nicht überarbeitet. Da hilft es auch nicht, daß die Angaben wie ein Comic gelettert, also nicht in Druckbuchstaben geschrieben sind. Die Angaben im liebevoll gemachten Carlsen-Gesamtverzeichnis, das als CD-ROM für lumpige zehn Mark zu haben ist, sind da manchmal ausführlicher.
Das „Comic Book Confidential“ bietet alo nicht geheime oder vertrauliche Nachrichten, wie es sein Titel verspricht. Der Film funktioniert als originelle Einführung, bei den darüber hinausgehenden Informationen und Dokumenten zeigen sich allzu rasch die Grenzen. Martin Zeyn
Ron Mann: „Comic Book Confidential“. Voyager 1996/ Vertrieb Systhema, 89 DM; Mac 25 Mhz 68 030/ Windows 486 SC, 33 min., 8 MB Ram, 640 mal 480 Auflösung
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