piwik no script img

Point 'n' clickAnklickbare Hirne

■ „Complete Waste Of Time“: Monty Python erstmals auf interaktiver CD

Wir hatten immerhin Klimbim und die Otto-Show. Und – ach ja! – die Plattenküche mit Helga Feddersen und Frank Zander. Natürlich nichts im Vergleich zur Nonstop-Nonsense-Grundversorgung der Briten: Marty Feldman, Benny Hill und Monty Python! Was die Sechs von der Flying-Circus- Truppe (Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin) zwischen 1969 und 1974 in 45 halbstündigen Comedy- Shows ablieferten, war wohl das Beste an Dada-TV, surrealem Metaquatsch, egg, bacon and spam, was je über die gute alte, bis auf den Wünsch-dir-was- Lichttest noch garantiert nicht interaktive Mattscheibe flimmerte.

Fernsehen war als neues Medium gerade etabliert, die Zuschauer hatten endlich ihre Berührungsängste abgelegt, da spielten die Pythons bereits mit der Idee, die Ordnung der gesendeten Bilder selbst zur Implosion zu bringen: „It's just gone 8 o'clock and time for the penguin on top of your television set to explode.“

Die Monty-Python-Shows waren gerade deshalb unübertroffen genial, weil man nie wußte, welche Sub-Pointe eines Sketches im Laufe der Sendung wieder aufgenommen, bis zum Umkippen durchdekliniert, zum Running Gag der späteren Folgen avancieren würde – man denke nur an den Sketch über den deutschen Barockmusiker mit dem unaussprechlich-ellenlangen Namen: Johann Gambolputty de von Ausfern- schplenden-schlitter-grumblemeyer-spelterwasser-himbleeisen-bahnwagen-gu tenabend- schönendanker-bitte-ein-nürnberger-bratwurstle (usw. usf.), wobei der Gag darin bestand, den Namen in kürzester Folge sechsmal zu nennen. Und immer noch stand ein Wikinger, Hunne oder Ritter in der Dekoration herum, jederzeit bereit, einem der Schauspieler ein Hühnchen über den Kopf zu hauen.

Wir unterbrechen diesen Artikel for something completely different, um Sie zu ärgern und die Dinge bewußt irritierend zu machen: 650 Megabyte komprimierter Python-Irrsinn auf CD- ROM. Anzuzeigen ist eine von der amerikanischen Softwarefirma 7th Level unter Beihilfe von vier Original-Pythons kreierte multimediale Flying-Circus-Reprise namens „Complete Waste of Time“. Der Titel sagt schon alles! Von einem als aufgeschnittenes Hirn vorliegenden Hauptmenu aus wird der Spieler bei Anklicken einzelner Hirnlappen in vier bizarre graphische Spielfelder gebeamt. In diesen mehr oder weniger durchgeknallten Szenarien stolpert man nicht nur über die berühmten, seinerzeit in die Shows integrierten Cartoons von Terry Gilliam, die wirken, als habe jemand Gemälde von Magritte und Dali im Geiste der Bugs- Bunny-Show animiert, sondern auch über eine Unmenge digitalisierter Videofilmchen mit Ausschnitten aus legendären Monty-Python-Sketchen (Dead Parrot, Cheese Shop, Argument Clinic, Crunchy Frog, Dirty Vicar etc.).

Buchstäblich alles in den Szenarien ist anklickbar, und alles produziert einen optischen oder akustischen Effekt. Tatsächlich kenne ich kein Programm, das auf so vielfältige und unvorhersehbare Weise auf Interaktion reagiert. Klicke einmal auf ein Objekt und goutiere die Wirkung (Explosionen bevorzugt), klicke zwei-, dreimal auf dasselbe Objekt, und es passiert etwas völlig anderes: eine witzige Animation läuft ab, ein launiger Kommentar wird abgesondert oder dein Computer explodiert!

Die Graphiken funktionieren regelrecht als Suchbilder; hinter den sichtbaren Dingen lauern noch jede Menge Zusatzgags: Eine Tür läßt sich hervorzupfen, aus der zugleich die Spanische Inquisition stürzt („Nobody expects the Spanish Inquisition ... Our chief weapon is surprise ...“). Dauernd flattert, tänzelt, silly-walkt irgendein greulich-abscheuliches Zwitterwesen durchs Bild, das man mit dem sofort zum Fadenkreuz werdenden Cursor gemütlich abballern darf. Die „Portrait- Gallery“ verwandelt sich bei Gelegenheit in ein Autokino oder einen einarmigen Banditen. Die Kathedrale mutiert netterweise zu einem astreinen 3D- Flipper.

Selbst die integrierte Hilfe- Funktion ist abgefuckt: Weiß man nicht mehr weiter, wird man von einer freundlichen Stimme dazu aufgefordert, die Taste F1 zu drücken, woraufhin man von einem Spruch wie „Hello, this is Help, but I'm afraid you didn't say please, so – back to the game“ verhöhnt wird.

Man kann sich gar nicht sattsehen an diesem kruden Produkt, das den ganzen CD- ROM-Multimedia-Hype ad absurdum führt. Nichts macht Sinn, alles ist komplette Zeitverschwendung – genau wie im richtigen Computerleben. Ich liebe allein schon die Idee, einen „Exploding TV-Room“ zu kreieren, in dem der ganze herumstehende Nippes in die Luft gesprengt werden darf, soll, muß? Wieso aber explodiert nicht der Pinguin, der auf dem Fernseher steht? Ist das etwa ein Puzzle? Ist hier eventuell doch ein echtes Spiel verborgen, mit richtigen Rätseln und so? Yes it is. No it isn't! Yes it is!! Isn't!!! Worum geht's eigentlich? Ach ja, das Geheimnis des intergalaktischen Erfolgs soll man herausfinden. Kryptische Hinweise gibt der Moderator der „Spot the Loony“-Show. Ich verstehe aber leider immer nur Bahnhof. Dinsdale, Dinsdale.

„And now for ten seconds of sex!“ („oh, coitus!“)

„It's ...“

(Ein Ritter tritt auf und haut dem Rezensenten ein Hühnchen über den Kopf.)

„Albatross?“ Ulrich Hölzer

Monty Python's Complete Waste of Time (7th Level). Systemvoraussetzungen: 486er mit mindestens 25 MHz, CD-ROM, Soundkarte, Windows 3.1.; sehr gute Englischkenntnisse vonnöten! - Preis: ca. 130 DM.

Begleitlektüre: MPFC – Just the Words. The Complete Unexpurgated Scripts, 2 Bd., London 1989 (Mandarin Paperback 9,99£)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen