Point 'n' click: Paiks Playstation
■ Die Medienkunst von Nam June Paik als Bilderschleife auf CD-ROM
Auf der Biennale in Venedig 1992 repräsentierte der Koreaner Nam June Paik, als „Ehren-Gast- Arbeiter“ (so der einladende Länderkommissar Klaus Bußmann), seine zeitweise Wahlheimat Deutschland mit Videoskulpturen.
Spätestens jetzt stand fest, daß er zu den – zumindest im Videobereich – seltenen Großkünstlern gehört. Nun liegt eine CD-ROM vor, die neben einer ausführlichen Bilddokumentation der Arbeiten aus Venedig in 30 Minuten Film und 205 Bildern Paiks Weg von der ersten Ausstellung in der Galerie Parnass über die Opéra Sextronique bis zu seinen späten Robotern vorstellen will.
Die CD-ROM beginnt mit Bildern, auf denen Fotos von Paik mit autobiographischen Sprechblasen versehen sind. Danach klopft Paik, offenbar eingesperrt in ein altertümliches Fernsehgehäuse, von innen gegen den Bildschirm. Die AutorInnen Elke Esser und Frank Essers scheinen offenbar keine Problem mit dem ironischen, von Fluxus inspirierten Auftreten des Lehrers zu haben.
Ihr Interesse richtet sich allerdings eher auf die Präsentation, als auf die Dokumentation. Sie haben auf eine Menüleiste verzichtet, so daß sich die Wege durch die Dokumente anfangs wie ein Irrgarten ausnehmen. So lustig das beim ersten Durchklicken ist, so nervig wird es später, wenn zufällig ein falsches Icon gedrückt wurde und dann erst brav die ganze Serie durchgeklickt werden muß, bevor der Ausgangspunkt wieder erreicht wird. Multimedialität aber, die selbständiges Verknüpfen möglich machen soll, reduziert sich damit auf die Funktionstasten eines Videorecorders: vor, zurück, Standbild.
Beide AutorInnen sind ehemalige Meisterschüler von Paik, was sie kunsthistorischer Distinktionen enthebt. Auf der CD- ROM wird statt der Kunstikone der geniale „Techno-Idiot“, Fluxus-„Kultur-Terrorist“ und selbstironische Medienkritiker repräsentiert.
Dieser Zugriff ist durchaus angenehm, die spärlichen und oft ungenauen Beschriftungen dagegen wirken ziemlich störend. Auf Zeitungsausschnitte von der Verurteilung Charlotte Moormans, die 1967 Paiks „Opéra Sextronique“ oben-ohne aufgeführt hatte, folgt eine Probe dieser Performance.
Die allerdings wurde 1977 aufgezeichnet, was sich erst aus den folgenden Szenen erschließt. Da wird das bekannte „Zen for TV“ mit einem bewegten hellen Strich auf dem Bildschirm hübsch animiert, nirgends aber ist die Geschichte dieser Arbeit zu erfahren: Aufgrund eines Transportschadens ist das Bild des Fernsehers auf eine horizontale Linie reduziert worden.
Paiks Arbeit lag also nicht in der Erzeugung des Effektes, sondern in seiner Präsentation und der Namensgebung. So interessant einige Arbeiten von Paik auf dieser CD-ROM präsentiert werden, so klar ist doch, daß 30 Minuten Video zuwenig sind. Noch dazu, da die Konkurrenz nicht schläft.
So war schon bei der Wolfsburger Ausstellung von Paik ein Videoband als Katalog zu erwerben. Die kärgliche Textdokumentation erschließt sich den Paik-Anfängern kaum, Spezialisten aber haben die meisten Texte längst in Katalogen vorliegen.
Ein Catalogue raisonné auf CD-ROM, der die medialen Möglichkeiten nicht nur andeutet, sondern beweist, ist beim heutigen Stand der Kosten nicht zu erwarten. Bis dahin: Play the Paik. Martin Zeyn
Nam June Paik: „Systema 1997“. 98 DM. Für PCS ab Windows 3.1 oder Mac System 7. 8 MB Ram, doublespeed Laufwerk, Soundkarte
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