piwik no script img

Point 'n' ClickKundalini-Yoga aus dem PC

■ Bitte tief durchatmen und den Astro-Bastro-Terror genießen: Mit „adela's erholungsset für computerarbeiter“ kann man sich am Bildschirm entspannen

Irgendwo im Keller einer amerikanischen Universität sitzt ein ehemaliger Physikprofessor, der gerne beweisen möchte, daß Computer auf die Anwesenheit von Menschen reagieren. Solche Grundlagenforschung ist schon deswegen immer wieder aufregend, weil sie ganz und gar ungeheimnisvolle, aber schwerwiegendere Problemfelder vergessen läßt. Man könnte zum Beispiel fragen, wie Menschen auf Computer reagieren, und sich die Antwort gleich selber geben: mit Muskelverspannungen, brennenden Augen und allgemeiner Überreizung. Wer seinen Computer trotzdem liebt, wird sich über „adela's erholungsset für computerarbeiter“ besonders freuen. Das Softwarepaket beugt genannten Unannehmlichkeiten vor, ohne daß man auch nur daran denken müßte, seine Maschine für 5 Minuten allein zu lassen.

Das Programm startet erwartungsgemäß mit ambientöser Musik, während im weißen Rauschen des Bildschirms langsam ein suggestiv dreinblickendes Augenpaar Gestalt annimmt. Das zugehörige Menü auf „blauentspanntem Screendesign“ offeriert die Optionen Augenübung, Entspannung und Meditation und will nicht so recht auf gewohnt hektisches Klicken reagieren. Wer sich entspannen will, muß sich von Anfang an dieser zenmeisterlichen Schnittstelle unterwerfen: „Mit der Maus klicken heißt zwei Sekunden auf der Maustaste entspannt verharren“, erklärt die Bedienungsanleitung dem streßgeplagten Büroarbeiter.

Wer jetzt schon über den Astro-Bastro-Terror flucht und den Back-to-Reality-Button drückt (der hier wirklich so heißt), verpaßt den Augenblick des Aufatmens in der nächsten Menüebene. Dort regiert ein versöhnlicher Pluralismus, der sogar das Abschalten der Ambientsounds ermöglicht. Außerdem darf zwischen Deutsch und Englisch gewählt werden.

Letzteres stellt sich schnell als fundamentale Entscheidung zwischen zwei Kulturen heraus. Die weibliche deutsche Stimme hat zwar den angenehmeren Klang, erinnert in demonstrativer Sanftheit und Wortwahl aber immer wieder an die Sexline- Werbestimmen aus dem Nachtprogramm: „Mach jetzt dies oder das... Also...“ Die amerikanische Alternative klingt dagegen spröder, textet aber weitaus positiver: „Good job! Take a deep breath and congratulate yourself!“

Folgt man den Anweisungen zu den jeweiligen Programmen, die zwischen 5 und 10 Minuten dauern, stellt sich auch im einmaligen Kurzzeitversuch ein durchaus wohliges Gefühl ein. Das spricht für Adela Sat Hari Kaur, die ihr fernöstliches Know-how in diese Anwendung eingespeist hat und auch in der wirklichen Welt Menschen mittels Kundalini- Yoga zu einer „schrittweisen positiven Veränderung“ verhelfen soll.

Ein an MTV geschulter Wahrnehmungsapparat wird das langsame Fließen von einem Bild zum anderen – Augenlider schließen sich, Brauen werden hochgezogen – auf den ersten Blick wohl als Zumutung empfinden. Vermutlich erfüllt das spartanische Design aber seinen Zweck, nämlich die Unterweisungen auf einfachste Weise zu visualisieren und sich ansonsten möglichst unauffällig zu verhalten, schließlich will man sich entspannen. Und wie wir wissen, haben Individuen in der neuen Cyber-Ökonomie das mehr als nötig. „Die Trennung zwischen Arbeits- und Privatsphäre ist heute fließend geworden. Damit wirken ganzheitliche Techniken und Anwendungen sich positiv auf gesamtkomplexe Strukturen aus“, wie das der Pressetext des Herstellers formuliert. Auch wer unter diesen Umständen nicht so genau weiß, ob er grade Freizeitarbeit leistet oder hedonistisch jobbt, kann also erleichtert aufatmen, wenn es wieder heißt: „Konzentriere dich auf das Fließen, bis der Gong ertönt.“ Ulrich Gutmair

veit & the magic monkeys: adela's erholungsset für computerarbeiter. (CD-ROM für Macintosh, Windows 3.x und 95) 49 DM.

Infos unter: http://www.magic

monkeys.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen