: Pohlmann vorm Kadi
■ Landgericht eröffnet Gerichtsverfahren
Oldenburg Wegen gefährlicher Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung müssen sich vom vierten Juni an der Agrarindustrieelle und Legehennenhalter Anton Pohlmann (56) und dessen Sohn Stefan (28) vor dem Landgericht Oldenburg verantworten. Den Beschluß zur Eröffnung des Strafverfahrens gab das Landgericht am Mittwoch bekannt. Danach werden den Angeklagten außerdem Tierquälerei sowie Verstöße gegen das Lebensmittel- und Arzneimittelrecht vorgeworfen.
Pohlmann soll gesetzwidrig zehn Millionen Hühnern ein Desinfektionsmittel ins Futter gemischt und sie mit Nikotinsulfat besprüht haben. Damit sollten Bakterien, Salmonellen und Milben in den Legebatterien des Hühner-Multis bekämpft werden. Annähernd sieben Millionen Eier mit Nikotin-Gehalt soll Pohlmann unzulässig in den Lebensmittelhandel gebracht haben.
Gefährliche Körperverletzung wirft die Anklage Pohlmann in vier Fällen und Sohn Stefan in einem Fall vor. Besonders schwerwiegend wertet die Anklage den Fall eines Farmarbeiters. Er habe lebensbedrohende Vergiftungen beim Versprühen der Nikotin-Lösung erlitten. Über die hochgiftige Wirkung des Mittels sei er nicht belehrt worden. Den Verletzten hätten die Angeklagten verspätet in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Vergiftungsursache hätten sie zunächst verschwiegen. Das Ausmaß des Arbeitsunfalls habe das Vorstellungsvermögen der Angeklagten allerdings überstiegen, meint die Staatsanwaltschaft.
Drei andere Personen wurden nach den Feststellungen der Anklagebehörde vergiftet, weil sie ohne Warnung die mit Nikotin verseuchten Ställe betreten durften. Betroffen waren zwei Mitarbeiter des Veterinäramts Bersenbrück (Kreis Osnabrück) sowie ein Beschäftiger einer Reinigungsfirma.
dpa
Gegen Anton und Stefan Pohlmann hatte das Amtsgericht Oldenburg Anfang Februar Haftbefehl erlassen. Der 56jährige Beschuldigte wurde wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen. Nach sechs Wochen wurde er gegen eine Kaution von fünf Millionen Mark aus der Haft entlassen. Pohlmann mußte seinen Reisepaß abgeben und darf seither nicht ins Ausland reisen. dpa
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