Podcast über NS-Verbrechen: Die Täter sterben aus

Eine Podcastserie von Audible widmet sich dem Kampf für eine Strafverfolgung von alten Nazis. Inhaltlich ist sie positiv überraschend.

Richter Thomas Walther, Im Hintergrund sieht man den Ageklagten John Demjanjuk, der in einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben wird

Thomas Walther will die letzten lebenden Täter vor Gericht bringen, doch er kommt nicht voran Foto: Michaela Rehle/ap

Es fängt nicht gut an. Im Trailer spricht plötzlich ein Mann, dessen Name nicht erwähnt wird. Dann redet noch ein zweiter, dieses Mal auf Englisch, schließlich noch eine Frau. Was sie qualifiziert, das Wort zu ergreifen, bleibt unklar. Es geht in diesem Podcast um die juristische Verfolgung von alten Nazis, so viel wird deutlich. Die letzten Prozesse also. „Schuld oder: Die letzten Nazis“ heißt der Podcast, produziert von Audible. Ein durchaus ehrenwertes Unterfangen also und noch dazu ohne die üblichen Kosten hörbar.

Lässt man sich aber von der dreiminütigen Einführung nicht abschrecken und steuert die insgesamt sechs Hauptteile an, folgt die positive Überraschung. Die Stücke sind im besten Sinne aufklärerisch. Und zugleich spannend gemacht. Und wer hinter den Stimmen im Trailer steckt, erfährt man auch bald.

Dazu muss man Zeit mitbringen – mehr als vier Stunden. Beschrieben wird der Kampf – ja, dieses Wort ist mit Bedacht gewählt – weniger einzelner Menschen für Gerechtigkeit. Da ist Thomas Walther, ein früherer Richter, der nicht einsehen will, dass die bundesdeutsche Justiz sich nicht dazu in der Lage sieht, Männer und Frauen, die in Konzentrationslagern Dienst getan haben, einer Strafe zuzuführen.

Angeblich, weil die Rechtslage nun einmal so ist, wie sie ist. Walther, kurz vor der Rente stehend, geht vor rund 20 Jahren zur Zentralen Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Er will die letzten lebenden Täter vor Gericht bringen, doch er kommt damit nicht voran.

Aufarbeitung verhindert

Es waren und sind nur einige wenige Menschen, die dafür gesorgt haben, dass die juristische Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen zumindest nicht ganz unter den Teppich geschoben werden konnte. Man erfährt in diesem Podcast aber auch, welche Methoden der Staat und seine Träger anwendeten, um eine wirkliche Aufarbeitung der Taten zu verhindern.

Über Jahrzehnte konnte in der Bundesrepublik nur bestraft werden, wem ein individuelles Verbrechen nachgewiesen werden konnte. Der Beschuldigte mochte über Jahre in einem KZ dazu beigetragen haben, dass dort Menschen erniedrigt, gequält und ermordet wurden – dies alleine reichte für einen Schuldspruch nicht aus. Welcher Zeuge aber sollte 70, 80 Jahre später noch Zeugnis über einen individuellen Mord ablegen sollen? Verfahren gegen NS-Straftäter waren deshalb seltener als Goldfunde im Sand der Spree.

Walther und wenigen anderen beharrlichen Menschen gebührt das Verdienst, das geändert zu haben, und deshalb kann das Denkmal, das man diesen Menschen setzt, gar nicht hoch genug sein. Walther wagte die Probe aufs Exempel und brachte einen Mann vor Gericht, der in Sobibor eingesetzt worden war: John ­Demjanjuk. In einem Vernichtungslager wohlgemerkt, dessen einziger Zweck es war, sämtliche Jüdinnen und Juden, die dorthin deportiert wurden, umzubringen. Dort trügen alle Schuld, die dort die Mordmaschinerie in Gang hielten, lautete sein Argument.

2011 wurde John Demjanuk wegen Beihilfe zum Mord in 28.060 Fälle verurteilt. Das Eis war gebrochen. Seitdem hat sich die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass schon die Anwesenheit in einem Lager, in dem bewusst und planmäßig Menschen ermordet werden, zu einer Verurteilung ausreichen kann. Kann wohlgemerkt, nicht muss. Denn weiterhin muss in jedem einzelnen Fall nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte zur Tatzeit im Lager war, welche Funktion er dort einnahm und dass er von den Verbrechen wusste.

Kampf für Gerechtigkeit

Der Podcast verweist auf das jüngste Verfahren gegen den 101-jährigen SS-Mann Josef Schütz in Brandenburg, erinnert an andere Prozesse in jüngster Zeit, die mit Verurteilungen endeten. Er vergisst auch nicht diejenigen Menschen, die als Überlebende den Mut aufbringen, in einem deutschen Gerichtssaal als Nebenkläger aufzutreten.

Allerdings ist es nicht so, dass sich nun seit 2011 reihenweise SS-Männer vor Gericht für ihre Taten verantworten mussten. Es waren einzelne Fälle. Die meisten mutmaßlichen Täter waren zu gebrechlich und zu krank, um als verhandlungsfähig zu gelten.

Im Trailer wird suggeriert, dass der juristische Kampf gegen diese Altnazis immer weitergehe. Später wird das glücklicherweise korrigiert. „Es ist fast vorbei“, sagt da der Jerusalemer „Nazi-Jäger“ Efraim Zuroff. Die Täter sterben aus. Das macht den Kampf für Gerechtigkeit von ­Thomas Walther nicht kleiner. Dem Autor Sören Musyal ist es gelungen, ein Stück deutsche Zeitgeschichte vorbildlich zu präsentieren.

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