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Archiv-Artikel

Platzhirsche halten den Platz

Neues Verfahren des Bundeskartellamts gegen RWE wegen zu hoher Tarife: Wettbewerbshüter beklagt geschwächten Wettbewerb auf dem Strommarkt

BERLIN taz ■ Diesmal ist RWE dran: Das Bundeskartellamt untersagte gestern der Dortmunder Stromnetztochter RWE Net AG, von Haushalts- und Gewerbekunden „weit überhöhte“ Preise einzutreiben. RWE hat in seinem Netzgebiet einen Marktanteil von über 95 Prozent. Das Kartellamt wirft dem Netzbetreiber vor, mit „weit überhöhten Mess- und Verrechnungspreisen“ Newcomer zu verdrängen und so die nach wie vor starke Marktposition der Vertriebsschwester RWE Plus zu schützen. „Ein von RWE vorgelegtes Wirtschaftsprüfgutachten hat den Missbrauchsverdacht nicht entkräftet“, begründeten die Wettbewerbshüter.

Erst im Dezember war das Bundeskartellamt gegen eine E.ON-Tochter vorgegangen: Die Thüringer Energie AG (Teag) bekam schon zum zweiten Mal eine Abmahnung ins Haus, weil das von ihr erhobene Nutzungsentgelt viel zu hoch war. Weil sich derartige Verfahren häufen und weil die Stromanbieter Ares und Riva Insolvenz anmelden mussten, sieht das Bundeskartellamt den Wettbewerb auf dem Strommarkt deutlich geschwächt. Deutschlands oberste Wettbewerbshüter wollen deshalb konsequent gegen Wettbewerbsbehinderungen durch führende Stromkonzerne vorgehen. Das erklärte gestern jedenfalls Kartellamtspräsident Ulf Böge.

Der Essener Stromversorger Riva Energie hatte Anfang des Jahres Insolvenz anmelden müssen, Ares war in gleicher Angelegenheit im Dezember zum Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gegangen. Begründung von Riva: „Überhöhte Netzentgelte machen es uns unmöglich, das Stromgeschäft weiter zu betreiben.“ Beide Unternehmen waren nach Öffnung des Strommarkts an den Start gegangen.

Immer wieder RWE und E.ON: Das Kartellamt hatte gegen die beiden Branchenführer wegen steigender Strompreise bereits im Oktober ein Verfahren angedroht und vor Jahresfrist gegen zehn Stromnetzbetreiber Missbrauchsverfahren eingeleitet – die meisten von ihnen E.ON- oder RWE-Töchter. Die Industrie weist alle Schuld von sich: „Die Entgelte für die Nutzung der Stromnetze spiegeln die Kosten des Netzbetriebs wider“, erklärt Eberhard Meller, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft. Von 1991 bis 2001 habe die Branche rund 34 Milliarden Euro in den Netzbetrieb gesteckt – die Hälfte ihrer Investitionen. NICK REIMER