: Platt verflacht
■ Dialekte sind auf dem Rückzug / Moorbauern-Saterfriesisch geht unter
Göttingen Minderheitensprachen und Dialekte sind nach Ansicht von Wissenschaftlern wegen der steigenden Mobilität der Gesellschaft stark gefährdet. Gründe für die Bedrohung seien zudem die „Spracheinheit der Medien“ und das Desinteresse der Älteren, weniger gebräuchliche Sprachen an die nächste Generation weiterzugeben, hieß es bei der 17. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft am Mittwoch in Göttingen. Auch die Wiedervereinigung führe zum Verlust eigenständiger Dialekte, sagte der Sprachwissenschaftler Professor Werner Holly (Chemnitz).
Der Vorsitzende der Gesellschaft, Professor Peter Suchsland (Jena), sagte: „Die meisten der Dialekte und Sprachen kleiner Bevölkerungsgruppen können bestenfalls noch als Kulturgut erhalten werden, aber nicht als lebendige Sprachen.“ Es gebe jedoch auch das Phänomen, verdrängte Dialekte auf der Suche nach neuer Identität zu Nationalsprachen zu machen. Als Beispiel führte Suchsland das frühere Jugoslawien an. Dort entstünden als Kriegsfolge gegenwärtig aus dem Serbo-Kroatischen des sozialistischen Staates wieder Bosnisch, Serbisch und Kroatisch. Ähnliches werde in der früheren Sowjetunion beobachtet.
Nach den Worten Professor Hollys ergab eine Untersuchung im thüringisch-bayerischen Grenzraum mit einst starker Dialekttrennung, daß die auf beiden Seiten früher noch deutlich zu unterscheidenden Dialekte sich seit der Grenzöffnung schnell angleichen. „In wenigen Jahren ist alles verloren“, sagte der Wissenschaftler. Holly bezeichnete zugleich die These, das Fernsehen verdränge Sprache, als „sehr windig“. Als Bild-Sprache-Tonmedium fördere das Fernsehen vor allem bei Kindern die mündliche Kompetenz.
Der Leiter der Arbeitsstelle Niederdeutsch/Saterfriesisch, Marron C .Fort (Oldenburg), bedauerte den Niedergang des Saterfriesischen, das nur noch von etwa 1.500 bis 2.000 Menschen in den Dörfern Ramsloh, Strücklingen und Scharrel sowie angrenzenden Bauernschaften im Kreis Cloppenburg gesprochen werde. Bislang habe diese Sprache die Jahrhunderte überdauert. Doch nun sei auch hier zu beobachten, daß viele Eltern mit ihren Kindern die Sprachpraxis nicht mehr pflegen. Fort forderte, das Saterfriesisch – eine Sprache zwischen Englisch und Holländisch, die sich in den abgelegenen Mooren erhalten konnte - in den Englisch- oder Deutsch-Unterricht der Schulen aufzunehmen. dpa
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