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Planspiele ohne Stil

Bertelsmann und die Familie Jahr streiten. Über G + J, Bernd Kundrun und Zeitungen an sich

von STEFFEN GRIMBERG

Zeitungen, hat vor einiger Zeit einmal ein nicht ganz unwichtiger Bertelsmann-Manager im internen Kreis bekannt, seien doch so etwas wie Zahnpasta: verschiedene Marken für verschiedene Menschen. Aber eben ein Produkt unter vielen.

Diese Auffassung ist nicht ganz neu, trat bislang aber noch immer ein wenig hinter die Verlegermaxime zurück, dass es sich bei der Presse gerade nicht um ein x-beliebiges Produkt handele. Wenn es um Shareholder Value geht, hört derartige Zurückhaltung auf: Bertelsmann bereitet sich – zumindest für Teilbereiche – auf den Gang an die Börse vor. Und dazu will das Haus bereinigt sein, Analysten lieben klare Verhältnisse: übersichtlich geordnete Geschäftsbereiche und profitables Kerngeschäft. Mitinhaber stören da nur.

Vor allem die Zeitungen des Konzerns, so scheint es, begreift Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff als Klotz am Bein. Auch weil man sich bei der hauseigenen Verlagstochter Gruner + Jahr trotz Dreiviertelmehrheit bei den Anteilen mit der Verlegerdynastie Jahr herumärgern muss, die das andere Viertel von G + J und damit verbundene Sonderrechte ihr Eigen nennt. Die Familie Jahr hat unmissverständlich mitgeteilt, dass sie keinerlei Verkaufsabsichten hegt, und auf den kleinen, feinen Unterschied hingewiesen: Gütersloh kann bei G + J nicht einfach durchregieren.

Wenn mit dem Verschwinden der Zeitung zugunsten der Zahnpasta dann offenbar auch gleich der gute Stil über Bord geht, wie Hans Leyendecker in der Süddeutschen zu Recht bemängelt, ist das nicht weiter verwunderlich: Schließlich geht es um Machtfragen auf den Führungsetagen eines der größten Medienkonzerne der Welt.

Zwischen die Stühle gerät dabei auf der Machtseite G + J-Chef Bernd Kundrun, ein Bertelsmann, der auch im Vorstand des Gesamtkonzerns sitzt. Die Sinnhaftigkeit dieses Doppelmandats wird von den Jahrs derzeit aus nahe liegenden Gründen infrage gestellt. Klarheit könnte ein G + J-Gesellschaftertreffen bringen, das heute stattfindet.

Die Planspiele der Konzernherren verunsichern weiterhin auch die Basis, die einzelnen Redaktionen und Verlage von der FTD bis zur Sächsischen Zeitung. Dort ist die Stimmung wegen des verordneten Sparzwangs sowieso nicht die beste. Bei der Berliner Zeitung, ist zu hören, sei selbst für die Prestige-Seite 3 kaum noch was im Reiseetat. Als sich die ReporterInnen darauf bei Freunden und Bekannten einquartierten, um trotz schmaler Budgets noch über den Berliner S-Bahn-Ring herauszukommen, soll das prompt vom Verlag unterbunden worden sein: Schließlich schade solch Verhalten dem Image des Hauses. Etwas Stil bleibt eben immer.

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