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Archiv-Artikel

Planspiele am Windrad

Unesco zeichnet Projekt der Bremer Uni aus: Naturwissenschafts-DidaktikerInnen stellen den Klimawandel vor Gericht

„Es ist unter Schülern nicht ‚cool‘, Chemie-Doktorand zu sein“, sagt Didaktik-Prof Ingo Eilks

Zum zweiten Mal in Folge erhält ein Projekt des Instituts für Didaktik der Naturwissenschaften (IDN) eine Auszeichnung im Rahmen der Unesco-Dekade der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Dieses Programm widmet sich ein Jahrzehnt lang besonderen Vorhaben in Wissenschaft, Bildung und Kultur. Für das gemeinsam mit der Carl-von-Ossietzky-Universität entwickelte Planspiel „Klimawandel vor Gericht“ ging die Auszeichnung an das IDN. „Das zeigt auf jeden Fall“, so Mit-Initiatior Ingo Eilks „dass wir vorne mit dabei sind.“

„Vor Gericht“ wird der Klimawandel insofern gestellt, dass SchülerInnen hier lernen, den „Fall Klimawandel“ wie in einem Verhandlungssaalakribisch aufzuarbeiten. Dabei müssen sie alle beteiligten Akteure und Gegebenheiten einordnen. Ziel ist es, soziale und ökologische Verantwortung in den Schulunterricht zu bringen.

Methodisch rückt dabei das Rollenspiel in den Mittelpunkt des Unterrichts: Die Jugendlichen übernehmen in der Simulation verantwortungsvolle Posten, um Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen. Sie bilden zum Beispiel Fachausschüsse und Gremien, um über die EU-weite Verwendung von Bio-Ethanol oder über politische Eingriffe zur Einschränkung der Kohlendioxid-Emissionen zu verhandeln.

Schon 20 Schulen in Bremen und Niedersachsen wenden das Modell an. In den Fächern Physik, Chemie, Biologie und Politik befasst man sich intensiv mit klimapolitisch relevanten Themen. „Fächerübergreifend denkt man dabei automatisch“, sagt IDN-Professor Eilks.

Ihm gehe es auch darum, das Image der Naturwissenschaften zu verbessern und den Unterricht alltagsnäher zu gestalten: „Es ist unter Schülern nicht ‚cool‘, Ingenieur oder Chemie-Doktorand zu sein“, sagt Eilks, „wenn sie aber wissen, diese oder jene Substanz ist auch in Alcopops enthalten, dann wird die Sache schon interessanter“.

Die SchülerInnen sollen das Potenzial der Naturwissenschaften erkennen, sie aber gleichzeitig immer kritisch hinterfragen: „Wenn sie aus dem Unterricht kommen und sagen: ‚Ich habe gelernt, die Dinge immer aus mindestens zwei Perspektiven zu betrachten‘, haben wir schon etwas erreicht“, sagt Eilks. Die Gestaltungs- und Bewertungskompetenz und das Relevanzempfinden der Schüler seien dabei zentral.

In Arbeitsgruppen wird etwa untersucht, wie Windräder entwickelt und gebaut werden, welche politischen und behördlichen Hürden sie bis zum Aufstellen meistern müssen – und wie sie dann letztendlich von den Stromkonzernen benutzt werden. „Dabei lernen die Jugendlichen auch, wieviel Energie schon beim Bau eines Windrades verbraucht wird“, sagt Eilks. Politisch-ökonomische Zusammenhänge begreifen, Kosten-Nutzen-Rechnungen aufstellen: Während im Klassenzimmer heftig debattiert und diskutiert wird, sitzen dort auch Doktoranden des Instituts, die die Gespräche anregen, verfolgen und evaluieren.

Auch mediale Repräsentationen können Thema sein: Wie werden Klima-Themen in der Presse behandelt? Welche Interessen werden damit verfolgt? Der Unterricht bearbeitet das Themenfeld ohne Grenzen.

Aber auch über die Schulen hinaus soll der Klimawandel greifbar werden: Durch Kooperationen mit dem im Juni öffnenden Klimahaus Bremerhaven oder dem Museum für Natur und Mensch in Oldenburg sollen auch diese Institutionen die Methodik zukünftig nutzen können. Das Projekt wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) seit Herbst 2007 mit 250.000 Euro gefördert. Jens Uthoff