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Archiv-Artikel

Planet Hoffenheim

Der VfB Lübeck will ins DfB-Pokal-Halbfinale. Davor liegt eine Etappe, die kaum ein menschliches Wesen je betrat

Von ruf

hoffenheim taz ■ Ausgerechnet vor dem wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte musste der für Samstag angesetzte Pflichttest gegen den MSV Duisburg witterungsbedingt ausfallen. Kein Wunder, dass sich VfB-Coach Dieter Hecking besorgt über die abhanden gekommene Spielpraxis zeigte. „Aber von der Motivation her ist das Spiel ein Selbstgänger.“

Zumindest, wenn der Busfahrer einen guten Tag erwischt und die Lübecker am Dienstag rechtzeitig zu Spielbeginn antreten können. Als Kartenmaterial auf der Fahrt ins nordbadisch-Ungewisse sei eine Wanderkarte des Ortes Sinsheim bei Heidelberg empfohlen. In dessen Gemarkung liegt Hoffenheim, das im Jahre 737 n. Chr. erstmalig urkundlich erwähnt wurde und 1639 immerhin neun Einwohner hatte. 365 Jahre später beherbergt das Dietmar-Hopp-Stadion mit 5.600 Plätzen gut das Fünffache der Einwohnerzahl. Umso bemerkenswerter, dass der Regionalligist im laufenden Wettbewerb Trier, Karlsruhe und Leverkusen nach Hause schickte.

Dass „Hoffe“ so erfolgreich spielt, liegt nicht zuletzt am Namensgeber des Stadions: Dietmar Hopp ist Chef des Software-Giganten SAP, bei dem sich auch das kickende Personal halbtags verdingt. Bodenhaftung – da ist Hopp ganz Unternehmer alten Stils – gehört nämlich zur „corbret eidendidi“. Statt auf Stars setzt er auf ein vorbildlich geführtes Nachwuchszentrum und einen Coach, dem er zu Recht blind vertraut: Hans-Dieter Flick verteidigte einst beim FC Bayern, ehe er als Jahrgangsbester des DFB-Trainerlehrgangs nach Baden zurückkehrte. Dort setzt er nun modernen Fußball in die Tat um. Und wenn es nach dem dagobertesken Hopp geht, der sich auch Wenger und Hitzfeld leisten könnte, wird Flick auch noch Trainer sein, wenn einmal die Partie Hoffenheim – Real Madrid angepfiffen wird.

Dieter Hecking, den fachlich vieles mit Flick verbindet, sollte sich indes für die Pressekonferenz eine Packung Ohropax besorgen. Denn wie beim VfB findet die Analyse im mit etwa 150 Dorfadligen bestückten VIP-Bereich statt. Und die lassen zuweilen derart die Etikette vermissen, dass im Oktober der Trainer der Bayern-Amateure, Hermann Gerland, sein im Gejohle untergehendes Statement abbrach, mit den Worten „Ich glaub, ich krieg‘ nen Vogel hier“ von dannen brauste und angeblich den Mittelfinger präsentierte.

Kurz darauf schritt Hopp höchstselbst zum Mikro und tat unter tosendem Applaus kund, er habe soeben mit seinem Golfpartner Franz Beckenbauer telefoniert: „Das wird ein Nachspiel haben.“ Auf selbiges wartet Gerland noch heute. Zwei Meter neben Hopp saß Hansi Flick, dessen Team soeben 2:2 gegen die übermächtigen Spitzenreiter der Regionalliga Süd gespielt hatte. Und lächelte heimlich, still und leise in sich hinein. ruf