Plagiatsvorwurf gegen Verteidigungsminister: Karl-Theodor zu Googleberg
Einerseits: Ein Skandal, bei dem Guttenberg die Verantwortung mal nicht abschieben kann, denn er hat bei seiner Dissertation gemogelt! Andererseits: Na und?
D ass Zeitschriften und Zeitungen amtierende PolitikerInnen hier und da in Verlegenheit bringen, ist trotz vielfacher Versuche diverser Bundesregierungen, dem entgegenzuwirken, alles andere als unüblich. Auch Enthüllungen über Wikileaks oder andere moderne Medien mögen noch hinzunehmen sein. Unerhört ist aber, wenn jetzt sogar Vierteljahreszeitschriften bei solchem politischen Kesseltreiben mittun.
Doch es hilft nichts: Der Teflon-Minister hat seinen ersten handfesten Skandal, bei dem er nicht die Verantwortung auf andere abschieben kann. In der kommenden ersten Ausgabe 2011 der Kritischen Justiz, Untertitel: "Vierteljahresschrift für Recht und Politik", wird nun Bundesverteidigungsminister Doktor Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg des Plagiats bezichtigt. Bei seiner Dissertation über "Verfassung und Verfassungsvertrag" habe der nämlich dreist abgekupfert, ohne dies jedes Mal nach wissenschaftlichem Brauch kenntlich zu machen.
Zwar will die Kanzlerin noch nicht von einer Staatskrise sprechen, doch die Lage ist heikel: Ist der Verteidigungsminister am Ende doch nicht Hoffnungsträger einer ganzen Union, sondern bloß ein ganz gewöhnlicher Karl-Theodor zu Googleberg? Der am Ende nicht nur gar nicht von der Familie mit den beweglichen Lettern abstammt, sondern bestenfalls von deren inferioren Abkömmlingen, die eben nicht den Buch-, sondern den Nachdruck erfunden haben? Und das auch noch beim Thema Verfassung, wo die Union mit Blick auf die vielen kommenden Landtagswahlen doch nicht überall in einer so dollen ist?
Die Süddeutsche Zeitung hat einige Passagen aus der Dissertation mit den Originalen anschaulich gegenübergestellt.
Nun gebietet bei einem Verteidigungsminister schon sein hohes Amt, dass man ihn verteidigt. Also: Es kommt doch nicht nur darauf an, ob, sondern vor allem auch, wo Karl-Theodor zu G. abgeschrieben haben soll. Und da ist der Freiherr alles andere als wissenschaftliche Hilfskraft, das kann sich sehen lassen: "Aus dem Streit hervorgegangen ist ein durch und durch säkularer, laizistischer Text, der angesichts der europäischen Realität zu Recht auf eine ,Invocatio Dei', eine Anrufung Gottes, verzichtet …", steht auf Seite 381 der Guttenberg-Diss., … und sich stattdessen auf den Geist der Antike, des Humanismus und der Aufklärung beruft", geht der Satz in der NZZ vom 22. Juni 2003 weiter, die Autorin ist eine gewisse Klara Obermüller, "Gott hat keinen Platz in der europäischen Verfassung", heißt ihr Essay. Also bitte: Neue Zürcher Zeitung! Sonntagsausgabe! Und das, wo die meisten PolitikerInnen doch am liebsten ganz ungeniert Bild lesen. Für so etwas muss man sich nicht entschuldigen, so etwas hat doch Nivea, Styling - einfach Klasse. Wie der ganze von und zu Guttenberg.
Da gibt es nichts zu kritteln, vielmehr erweist sich der junge Minister auch hier wieder ganz und gar als Avantgarde seiner Partei. Als einer, der Intertextualität annimmt und zugibt. Was bei vielen Politikerreden und -ausreden - man denke nur an austauschbare Weihnachtsansprachen, Verantwortungsabwälzungen usw. - längst geübte und anerkannte Praxis ist, kann bei Politikerdissertationen deshalb doch nicht falsch sein, lautet sein Argument.
Es gehe darum, anzuerkennen, "dass der Entstehungsprozess mit diesem Jahrzehnt und den Vorgehensweisen dieses Jahrzehnts zu tun hat, also mit der Ablösung von diesem ganzen Urheberrechtsexzess durch das Recht zum Kopieren und zur Transformation", ließ Karl-Theodor zu Guttenberg am Mittwoch in Berlin mitteilen. Das ist doch mal was. Ein normaler 08/15-Minister hätte den Plagiatsvorwurf als "abstrus" zurückgewiesen und maximal "Ich bin gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1.200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen" genuschelt.
Wobei - hoppla - uns hier beim Copy & Paste zwischen der als künftige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium gehandelten Helene Hegemann (parteilos) und dem Minister etwas durcheinandergegangen scheint. Kundus Roadkill eben. Shit happens, schon wieder ein Axolotl explodiert.
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