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Plagiatsvorwürfe gegen SchavanTauziehen um den Ruf

Kirchen, Wissenschaftler und CDU geben der Forschungsministerin Deckung. Die Uni Düsseldorf stellt Anzeige wegen Gutachtenveröffentlichung.

Kurztitelaufnahme von Schavans Dissertation „Person und Gewissen“. Bild: dapd

BERLIN taz | Nach Bekanntwerden eines internen Gutachtens, das Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) Täuschung in ihrer Doktorarbeit vorwirft, hat die Universität Düsseldorf Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Sie bedauere, dass die Informationen „unter Bruch der Vertraulichkeit an die Öffentlichkeit gelangt sind“, teilte die Heinrich-Heine-Universität, an der Schavan 1980 ihre Arbeit einreichte, am Dienstag mit.

Führende Wissenschaftler hatten die Universität zuvor scharf kritisiert. Es sei skandalös, dass die Öffentlichkeit vor der Betroffenen von den schwerwiegenden Vorwürfen erfahren habe, sagte der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, der Süddeutschen Zeitung. Er forderte, dass die Universität eine zweite Person bitten müsse, die Vorwürfe sachlich zu prüfen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder plädierte dafür, mit neuen Gutachtern ein neues Prüfungsverfahren vorzunehmen. Es sei von der Befangenheit der Gutachter auszugehen, nachdem das universitätsinterne Gutachten vorab an die Öffentlichkeit gelangt sei. „Ich glaube, dass dieses Verfahren nicht in dieser Form zu Ende gebracht werden kann“, so Kauder.

Aus der Opposition wurden unterdessen Forderungen nach Schavans Rücktritt laut. „Sollten sich die Vorwürfe als zutreffend erweisen, frage ich mich, wie ausgerechnet die für Wissenschaft und Forschung zuständige Ministerin ihr Amt noch glaubwürdig ausüben will“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth.

Das Verfahren zieht sich hin

Das am Wochenende bekannt gewordene universitätsinterne Gutachten soll am heutigen Mittwoch im zuständigen Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät beraten werden. Voraussichtlich wird das Gremium Schavan zunächst einladen, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Ob dann weitere Gutachten von externen Personen eingeholt werden, ist noch offen. Schließlich wird der Promotionsausschuss eine Empfehlung an den Fakultätsrat abgeben, der entscheidet, ob Frau Schavan der Doktortitel entzogen wird. Das Verfahren kann sich also noch hinziehen.

Anders als bislang im Fall Schavan hatte der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg selbst die Universität Bayreuth gebeten, seinen Doktortitel zurückzunehmen, da ihm „gravierende handwerkliche Fehler“ unterlaufen seien. Die Universität folgte der Bitte mit der Begründung, Guttenberg habe die benutzte Literatur und sonstige Hilfsquellen nicht vollständig angegeben und somit gegen die Promotionsordnung verstoßen.

Schavan reiste unterdessen trotz der Plagiatsvorwürfe nach Jerusalem, um deutsch-israelische Teams von Nachwuchswissenschaftlern auszuzeichnen. Zu den Vorwürfen gegen sie will sie Stellung beziehen, sobald die Universität sie darum bittet.

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6 Kommentare

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  • IN
    Ihr NameLothar S.

    Man könnte sich einen Ekel holen in diesem Land. Wenn es um Promis geht regen sich tausende helfende Hände, die sich nicht bewegen, nein deren Finger auf Menschen richten, bei angeblichen oder tatsächlichen Vergehen im "Normal"Volk. Bloss den König nicht blossstellen.. Manche haben bis auf den heutigen Tag nicht bemerkt: Wir leben in einer Demokratie, wo Gesetze und Richtlinien eben für Alle zu gelten haben oder gelten sollten. Leider ist das viel zu oft nicht der Fall und läßt an der Demokratie zweifeln. Frau Schavan muss zurücktreten ! Denn das was bisher an Verfehlungen unzweifelhaft vorhanden ist, kann und darf nicht dazu führen,. dass sie einen Promi-Bonus erhält. Nichts Anderes wäre das aber, was so Manche fordern.

  • K
    kroete

    Nein, A. Schavan darf nicht gehen, war der Wissenschaftsbetrieb vor über dreißig Jahren doch noch menschlich, Abschreiben eine lässliche Sünde, die ihr im gelobten Land verziehen werden wird.

    Natürlich interessiert sich im Innersten kein Schwein für ihre Doktorarbeit, geht es nur darum, eine Dienerin der obersten Staatsdienerin durch das Dorf zu jagen.

    Da scheint ja Angies Arbeit doch wasserdicht zu sein, obwohl, kurz vor der Wahl würde ihr selbst das noch Pluspunkte einbringen, sie als überaus menschlich charakterisieren.

  • WW
    was wäre

    Was wäre denn, wenn ein Pro-Schawan-Mitglied der Kommission das Gutachten geleakt hätte, damit nun Kauder und Ko das Gutachten als befangen und nicht neutral geißeln können?

  • P
    powerpi

    cui bono - wem nützt die vorzeitige (?) Veröffentlichung. Wäre eine ernsthafte Diskussion über Verfahrensfragen, Fairness, Gerechtigkeit ohnedies in Gang gekommen (wenn man schavanplag mal ignorieren würde)?

    Oder: wie mache ich den Täter medienwirksam zum Opfer ?

  • C
    Celsus

    Der Präsident der Humboldt-Stiftung fordert also eine sachliche Überprüfung durch einen weiteren Gutachter? Dann bitte soll er mal dazu Stellung nehmen, welche Vorwürfe im ersten Gutachten unsachlich oder übehaupt aus seiner Sicht überprüfeswert gewesen sind - falls der Mann das Gutachten überhaupt kennt, für das er eine zusätzliche Begutachtung fordert.

     

    Zusätzlich muss der Mann der Humboldt-Stiftung sich mal fragen lassen, ob er die Begutachtung durch eine zweite Person in Zukunft immer fordert oder ob es sich hier um Prominenten-Sonderrecht handeln soll.

     

    Wann und wie und durch wen wird der Präsident der Humboldt-Stiftung eigentlich gewählt? Wem verdankt dieser Mann seine Wahl?

  • DK
    Detlev Klein

    "Unionsfraktionschef Volker Kauder plädierte dafür, mit neuen Gutachtern ein neues Prüfungsverfahren vorzunehmen."

     

    Kauder hat hier nichts zu melden und weder darf er in die Wissenschaft intervenieren, noch darf er die vorgegebenen Regeln an der Universität ändern oder überhaupt nach einer Veränderung rufen. Die Politiker, die sich jetzt zu Wort melden, sollten aufpassen, denn Wissenschaft ist unabhängig, unterliegt einem besonderen Schutz und es kommt nur darauf an, dass die Universität zu einem Urteil kommt. Dass Einzelheiten und andere Dinge vorher bekannt wurden, hat mit dem eigentlichen Urteil der Universität nichts zu tun.

     

    Das hat Angela Merkel auch schon klar und deutlich formuliert. Annette Schavan könnte ja gegen die Universität klagen, wenn sie mit der Beurteilung durch die Universität nicht zufrieden ist, aber das wird schwer und nach dem Urteil bei der Stoiber-Tochter wohl auch schwierig, denn bislang hat noch keine® den wissenschaftlichen Gehalt der Arbeit gelobt (es besteht eher Konsens, dass sie schwach war).