Pläne islamischer Organisation: Da vergeht den Briten der Spaß
Empörung in Großbrittanien: Die Organisation "Islam4UK" will ausgerechnet in Wootton Bassett demonstrieren. Sonst wird hier um gefallene Soldaten getrauert.
Es ist die Trauerhauptstadt Großbritanniens. Seit 2007 werden die Särge der britischen Soldaten, die in den Kriegen im Irak und in Afghanistan ums Leben gekommen sind, durch die Kleinstadt Wootton Bassett in der Grafschaft Wiltshire westlich von London gefahren. An der Hauptstraße erweisen stets hunderte, manchmal sogar tausende Menschen den Soldaten die letzte Ehre. Rund hundert Mal hat dieses Ritual in den vergangenen zwei Jahren stattgefunden. Nun will eine islamische Organisation 500 Särge durch Wootton Bassett tragen, um der Muslime zu gedenken, die "im Namen von Demokratie und Freiheit umgebracht wurden", wie Anjem Choudary von der Organisation "Islam4UK" (Islam für das Vereinigte Königreich) vorgestern sagte.
Seine Ankündigung hat einen Aufschrei der Empörung auf der Insel ausgelöst. Wootton Bassett habe eine "besondere Bedeutung" im Leben der Nation erlangt, und das sollte respektiert werden, sagte Premierminister Gordon Brown und fügte hinzu: "Ich bin persönlich entsetzt von der Vorstellung dieser Demonstration in Wootton Bassett. Jeder Versuch, diesen Ort dafür zu benutzen, um den Angehörigen der Opfer noch mehr Leid und Kummer zuzufügen, wäre abscheulich und beleidigend." Innenminister Alan Johnson sagte: "Die Leute hinter diesem Winkelzug wollen Hass und Zwietracht säen." Er werde nicht zögern, die Demonstration zu verbieten.
Auch der Rat der britischen Muslime, ein Zusammenschluss von 400 gemäßigten Organisationen, ist gegen Choudarys Demonstration. "Die überwältigende Mehrheit britischer Muslime will mit diesen Extremisten nichts zu tun haben", heißt es in einer Presseerklärung. "Muslime haben einen bedeutenden historischen Beitrag zur Verteidigung der britischen Nation geleistet, mehr als 2,5 Millionen haben im Ersten und Zweiten Weltkrieg gedient." Eine Facebook-Seite, auf der zur Verhinderung der Demonstration aufgerufen wird, hat bereits 120.000 Mitglieder.
Dass Wootton Bassett zur nationalen Trauerstätte wurde, ist Zufall: Die Stadt liegt auf dem Weg vom Militärflughafen Lyneham zur Totenhalle des John-Radcliffe-Krankenhauses in Oxford. Bis 2007 wurden die Leichen zum Militärflughafen Brize Norton geflogen und ohne Aufsehen weitertransportiert. Wegen Reparaturarbeiten an der Landebahn mussten die Transporte nach Lyneham verlegt werden. Das bekamen ein paar Kriegsveteranen mit und begannen, für die Trauerzüge zu mobilisieren. Und die seien völlig unpolitisch, sagte Steve Bucknell, der Bürgermeister von Wootton Bassett. Auch Kriegsgegner nehmen daran teil. Deshalb sei Choudarys Demonstration fehl am Platz.
Ein Datum gibt es dafür bisher nicht. Es ist zweifelhaft, ob die Demonstration überhaupt ernsthaft geplant ist. "Islam4UK" hat in der Vergangenheit des Öfteren provokante Aktionen angekündigt und wieder abgeblasen. Choudary räumte mehr oder weniger ein, dass es sich auch diesmal um einen Werbegag handle. "Die ganze Welt redet darüber", sagte er. "Es war sehr erfolgreich, ohne dass überhaupt irgendetwas stattgefunden hat."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin