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Pläne in Abu DhabiSolaranlage soll für Kälte sorgen

Der Golfstaat Abu Dhabi setzt auf Solarenergie. Ein deutsches Forschungsinstitut erstellt eine Machbarkeitsstudie für eine Fünf-Megawatt-Anlage.

Sonne im Überfluss: Abu Dhabi Bild: dpa

In Abu Dhabi gibt es Sonne satt. Deshalb verwundert es zunächst nicht, dass der Golfstaat seine Möglichkeiten, Solarenergie zu nutzen, ausbauen will. Ungewöhnlich erscheint zunächst eher die Verwendung der so gewonnenen Energie. Aus Sonnenlicht soll Kälte werden. Zusammen mit arabischen Wissenschaftlern erstellen Mitarbeiter des Instituts für Technische Thermodynamik vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nun eine Machbarkeitsstudie. Später soll eine Fünf-Megawatt-Demonstrationsanlage folgen.

Vorbild für die geplante Anlage ist das in Spanien auch von der DLR errichtete solare Turmkraftwerk auf der Plataforma Solar de Almeria, das mit 230 Kilowatt Leistung noch eher bescheiden dimensioniert ist. Wie in der spanischen Anlage soll auch in Abu Dhabi durch ein kombiniertes solarhybrides Gasturbinensystem mit Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme erzeugt werden.

Der Einsatz von fossilen Energieträgern, die in Abu Dhabi auch reichlich vorhanden sind, sorgt hierbei für eine kontinuierliche Leistungsabgabe. Auf der Spitze eines Turms befindet sich ein Strahlungsempfänger, der von vielen am Boden angebrachten Spiegeln angestrahlt wird. Mithilfe der so konzentrierten Solarstrahlung kann Luft auf bis zu 1.000 Grad Celsius erhitzt werden. Zusätzlich wird noch ein mehr oder weniger großer Anteil an Erdgas verbrannt, der die Temperatur noch etwas weiter erhöht.

Die so erhitzte Luft treibt eine Gasturbine zur Stromerzeugung an. Die Abwärme der Gasturbine soll in Absorptionskältemaschinen zur Kälteerzeugung für Klimaanlagen genutzt werden. Diese Maschinen, die durch Verdampfung Kälte erzeugen, finden sich, allerdings sehr viel kleiner, in handelsüblichen Campingkühlschränken.

Gerade dann, wenn das Kraftwerk durch die Sonneneinstrahlung in den Mittagsstunden am meisten Strom und Kälte liefern kann, werden diese auch besonders dringend gebraucht. Tagestemperaturen von 50 Grad Celsius sind in dem arabischen Land keine Seltenheit. In den modernen Siedlungen des Emirats wird deshalb für die Klimatisierung der Räume bisweilen mehr Energie verbraucht als in deutschen Wohnungen an frostkalten Winternächten zur Beheizung. Und auch die Industrie dort benötigt für viele Produktionsprozesse Kälte, die bislang durch fossil erzeugten Strom hergestellt wurde. Deshalb widmet sich die Machbarkeitsstudie nicht nur technischen, sondern auch ökonomischen Fragen. Lohnt die gleichzeitige Herstellung von Strom und Kälte aus Sonnenenergie? Die Experimente in der arabischen Wüste könnten Vorbildcharakter für viele äquatornahe Regionen der Welt haben. Durch die nun geplante Kraft-Kälte-Kopplung könne, so das DLR, bis zu 50 Prozent Energie eingespart werden. Eine weitere Option stellt langfristig der Stromexport dar.

Sogar weite Entfernungen nach Europa könnten durch neue Technologien wie die Hochspannungsgleichstrom-Übertragung, die die Verluste in akzeptablen Grenzen halten, bewältigt werden, erklärt Reiner Buck vom DLR. Damit könne langfristig ein nennenswerter Beitrag für die Stromversorgung auch in Deutschland sichergestellt werden. Ein Bruchteil der Sahara-Fläche würde für die Deckung des aktuellen Strombedarfs der EU-Länder bei der neu entwickelten Technologie ausreichen.

Kühle Büro- und Wohnräume in der Sahara und die kohlekraftwerkfreies Europa, eine verlockende Perspektive. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Abhängigkeiten ist der alte Kontinent ja gewohnt. Statt vom Öl ist man hierzulande dann eben vom Strom der "Schurkenstaaten" abhängig.

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1 Kommentar

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  • TG
    Tobias Goldschmidt

    Lutz Debus weist darauf hin, dass der Export regenerativ erzeugten Stroms aus Wüstenstaaten zu neuen wirtschaftlichen Abhängigkeiten von "Schurkenstaaten" führen werde. Er übersieht dabei jedoch zwei wesentliche Unterschiede:

     

    Erstens ist regenerativ erzeugter Strom im Gegensatz zu fossilen Energieträgern weder endlich noch speicherbar. Wenn Ölexporteure den Ölhahn zeitweilig zudrehen, können sie sich sicher sein, mit dem weniger exportierten Öl zu einem späteren Zeitpunkt umso mehr Geld verdienen zu können. Jeder Tag an dem in einem Solarkraftwerk erzeugte Energie aus politischen Gründen nicht exportiert wird bedeutet hingegen nicht wieder einzuholende finanzielle Einbußen.

     

    Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass viel mehr Länder die Voraussetzungen für die Errichtung von Solarkraftwerken besitzen als Ölquellen. Eine Kartellbildung ist jedenfalls dann deutlich unwahrscheinlicher, wenn Solarkraftwerke in verschiedenen Ländern errichtet werden und nicht in staatlicher Hand bleiben.

     

    Statt Ängsten vor "neuen Abhängigkeiten" anheim zu fallen sollten lieber die enormen regionalen Entwicklungspotenziale, die mit einer derartigen Technologie einhergehen in den Mittelpunkt gestellt werden. So könnten in Nordafrika viele neue Jobs für Spiegelputzer entstehen!