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Piratenvorstand auf AbrufPonader ventiliert Neuwahl

Die Piratenpartei kommt auch im Wahljahr nicht zur Ruhe. Der politische Geschäftsführer würde gerne eine neue Führung sehen – und vielleicht mitmachen wollen.

Sind sich nicht ganz einig über die Zukunft des Piratenvorstandes: Parteichef Schlömer (li.) und Geschäftsführer Ponader. Bild: dpa

BERLIN taz | Neue Geschlossenheit, einen Ruck – das hatte sich Parteichef Bernd Schlömer am Morgen nach dem Wahldebakel in Niedersachsen von den Piraten gewünscht. Ob es personelle Konsequenzen aus der Wahlschlappe geben werde, wollte ein Journalist von Schlömer wissen. Der Parteichef verneinte: Er werde „durchhalten bis zur Bundestagswahl“.

Mit auf dem Podium bei der Pressekonferenz an jenem Montagvormittag: sein Vorstandskollege Johannes Ponader, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei. Der sparte sich einen unmittelbaren Widerspruch. Einen Tag später hat er das nun nachgeholt.

In einem Podcast der nordrhein-westfälischen Piraten ließ er am frühen Dienstagabend eine kleine Bombe platzen: Er plädiere für Neuwahlen des Bundesvorstandes – noch vor den Bundestagswahlen im Herbst. Ob Ponader wirklich der Meinung sei, dass man dafür eventuell sogar einen Extra-Parteitag einberufen solle, hakte der Fragesteller aus der Piratenpartei nach. „Ja, ich bin der Meinung“, bestätigte Ponader.

Versöhnung mit kurzer Halbwertszeit

Für die angeschlagene Partei bedeutet Ponaders Vorstoß neues Ungemach. Schon im vergangenen Herbst waren zwei Mitglieder des Bundesvorstands zurückgetreten. Auch zwischen Schlömer und Ponader hatte es heftig gekracht. Daraufhin bat Parteichef Schlömer beim vergangenen Bundesparteitag in Bochum die angereiste Parteibasis um ihre Meinung zu Vorstandsneuwahlen im kommenden Mai. Das Votum fiel eindeutig negativ aus. Schlömer und Ponader zelebrierten ihre Versöhnung. Nun jedoch stehen der Partei neue Personaldebatten vor. Und damit das Gegenteil der von Schlömer erhofften neuen Geschlossenheit.

Der Politische Geschäftsführer der Piraten trägt in dem Interview auch seinen Frust über die Vorstandsarbeit nach außen und kritisiert unter anderem die seiner Ansicht nach zu intransparente Arbeitsweise des Spitzengremiums. Angesichts der näher rückenden Bundestagswahl wirft er die Frage auf, ob der amtierende Bundesvorstand noch in der Lage ist, die Partei zu motivieren: „Wird es gelingen, einen guten, mutigen, inspirierten, provokanten Wahlkampf zu führen mit diesem Bundesvorstand?“ Der Podcast hört sich an, als laute Ponaders Antwort: Leider eher nicht.

Er habe in einer der jüngsten Vorstandssitzungen bereits angekündigt, dass er „keine Garantie dafür abgeben werde, bis zur Bundestagswahl das Amt auszufüllen“, verrät der Noch-Piratengeschäftsführer. „Ich muss persönlich gucken, in wie weit ich in den derzeitigen Strukturen das Gefühl hab, ich kann meine Arbeit sinnvoll und gut machen.“ Und ergänzt sogleich: „Derzeit habe ich das Gefühl nicht.“ Er fühle sich „gebremst“ und habe den Eindruck, dass er in diesen Strukturen seine Aufgabe nicht sinnvoll erfüllen könne.

Deshalb sei er bereit, zum nächsten Bundesparteitag im bayerischen Neumarkt im Mai sein Amt zur Verfügung zu stellen. Ponader schloss allerdings auch nicht völlig aus, erneut zu kandidieren. Seine Vorstandskollegen dürfte das nicht trösten.

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5 Kommentare

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  • CC
    Christian Conrad

    Es hat zwei Gespräche mit Bernd Schlömer gegeben:

    im Sommer 2012:"Jetzt kann man nur alles falsch machen"; im Winter 2012: "Hatte ich recht?". Als Sympathisant rate ich nun zu stoischer Gemeinsamkeit in der Partei. Gruß AHOI von @Pflanzpirat

  • I
    Ivulkansturm

    Attraktiv für grössere Bevölkerungsgruppen sind die Piraten, wenn sie sich auf ein paar zentrale Forderungen wie den Kampf gegen die Abmahnindustrie, das bedingungslose Grundeinkommen, den fahrscheinlosen

    Nahverkehr und die Legalisierung von Cannabis konzentrieren. Dafür braucht es einen professionellen Vorstand, der diese Inhalte glaubwürdig vertreten kann.

    Weder Schlömer, noch Nerz, noch Pomader sind dafür geeignet. Vorstandsneuwahlen sind daher unumgänglich.

    Die Vorstandsposten müsssen bezahlt werden, damit sie auch für gute Leute attraktiv sind und eine professionelle Arbeit geleistet werden kann. Es kann nicht sein, dass nur Beamte es sich leisten können, für solche Ämter zu kandidieren.

    Auch sollte man die exzessive Transparenz überdenken,

    da damit jede Auseinandersetzung öffentlich wird und

    dem politischen Gegner es sehr leicht gemacht wird, die Piraten als zerstrittenen chaotischen Haufen darzustellen.

    Keine Organisation, die effektiv ihre Ziele verwirklichen will, kann sich eine derartig destruktive Offenheit erlauben.

  • A
    anonymous

    so wird das nichts.

  • A
    analysepirat

    ... und täglich grüßt das Murmeltier: Jetzt geht das Gerede von der "Selbstzerfleischung" wieder los.

     

    Dabei werden drei Dinge in meinen Augen ignoriert:

     

    1) Noch (viel) tiefer kann die Partei nicht rutschen

    2) Der Status Quo (gerade personell!) zementiert die 2%

    3) Die verbliebene Option ist ein Selbsterneuerungsprozess, der nur mit neuen Leuten an der Spitze losgehen kann

     

    Sehen wir den Fakten in's Auge: Schlömer und Nerz haben die Wandlung von "unkonventionell" zu "etabliert", für die die Grünen über 10 Jahre gebraucht haben, in wenigen Monaten durchgezogen.

     

    Mit dem gravierenden Unterschied, dass sie nur möchtegern-etabliert sind.

     

    Mit der derzeitigen Ausrichtung versucht man viel zu stark, eine "normale" Partei zu sein -- zwischen den untoten Liberalen, den toten Linken und den 13%-Grünen. Wie soll das funktionieren?!

     

    Eine Alternative wäre die radikale Ansage, das gegenwärtige System von Grund auf herauszufordern. Für die Cyberdemokratie zu kämpfen. Dafür bräuchte man aber mehr als das auseinanderfallende "Liquid Feedback", bei dem die Entwickler schon abgesprungen und eine kleine Gruppe sich die Macht unter den Nagel gerissen hat (sehr stabile Knoten, die "Superdeligierten")

  • S
    Stratege

    Mit Typen wie Ponader können die Piraten einfach einpacken!