Piraten zur Netzneutralität: Meinungsfreiheit eingeschränkt
Heißt Netzneutralität, dass jeder unbegrenzt Videos im Internet gucken kann? Nein, sagen die Piraten, es geht darum, dass keine Inhalte diskriminiert werden.
BERLIN taz | „Die Telekom missbraucht ihre Monopolstellung, um die Nutzer in eine Zwangssituation zu bringen, damit sie mehr zahlen“, kritisierte die politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Katharina Nocun, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz.
Zusammen mit Vize-Parteichef Markus Barenhoff und Bundestagskandidat Markus Drenger nutzte sie die Gelegenheit, um die Position ihrer Partei zu einer bereits wochenalten Debatte offiziell zu erläutern.
Ende April hatte die Telekom angekündigt, dass Kunden ab einem bestimmten Volumen an Internetnutzung ab 2016 zusätzlich zahlen müssten. Außerdem soll es Anbietern wie Youtube oder Google möglich sein, durch eine Geldzahlung an die Telekom auch nach dem Überschreiten dieser Grenze noch problemlos zugänglich zu sein.
Das größte Problem sieht die Piratenpartei nicht in der Tatsache, dass manche Nutzer bei der Telekom in Zukunft mehr zahlen müssen. Vielmehr gehe es um den Aspekt, dass Dienste zahlungskräftiger Partner bevorzugt behandelt werden würden, während die anderer Anbieter ab einem bestimmten Volumen zusätzlich kosten. Das Gegenteil von diesem Modell wäre „Netzneutralität“, bei der im Internet verschickte Daten wie bisher unabhängig von ihrem Inhalt gleich behandelt werden.
Netzneutralität für die gesamte Gesellschaft
Bei der Einführung eines nicht-netzneutralen Modells wie dem der Telekom sehen die Piraten drei zentrale Probleme. Zur technischen Umsetzung müsste eine Überwachungsstruktur im Internet aufgebaut werden, die den gesamten Internetverkehr kontrollieren müsste. „Das würde einen fundamentalen Eingriff in die Grundrechte aller Bürger darstellen – aus wirtschaftlichem Interesse!“, empörte sich Barenhoff.
Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, dass Anbieter von Inhalten wie Youtube oder Facebook die Telekom bezahlten, damit ihre Dienste bevorzugt behandelt würden. Auf diese Weise würden vorhandene Monopole gefördert und Innovation erschwert werden. „Auf dem gesamten afrikanischen Markt passiert das schon“, erklärte Barenhoff, „da bezahlt Google den Internetanbieter Orange, damit sie selber immer erreichbar sind.“
Zuletzt betonten die Piraten außerdem, dass eine solche Struktur auch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Netz darstellen könnte. Würden bestimmte Medien bevorzugt, während der Zugang zu anderen zusätzlich kostet, hätte dies die Unterdrückung alternativer Meinungen zur Folge.
Bedeutung des Themas im Wahlkampf
Auf die Frage, ob die Partei Netzneutralität auch als Thema im Wahlkampf wahrnehme, antwortete Nocun, dass sie im direkten Gespräch mit „vor allem, aber nicht nur jungen Wählern“ oft darüber reden würden. So gibt es für die Piraten doch etwas Gutes am Vorstoß der Telekom – zum ersten Mal hat er das Thema auf die öffentliche Agenda gebracht.
Konkret verwiesen die Politiker auch auf einen Gesetzesentwurf, der einfach von der Regierung übernommen werden könnte, um die Netzneutralität gesetzlich zu verankern. „Wir helfen gerne, indem wir gerade bei netzpolitischen Themen unsere inhaltlichen Kompetenzen bereitstellen“, begründete Nocun diesen Schritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg