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Piraten in der KriseDie Mitmachpartei schrumpft

Die Krise ist an der Parteibasis angekommen: Den Piraten laufen erstmals Mitglieder davon. Fast 2.000 Mitglieder weniger sind es seit August 2012.

Mehr Schnick als Mitglieder? Bild: dpa

BERLIN taz | Der Bundestagskandidat ging ohne große Worte. „Guten Abend. Ich bin aus der Piratenpartei ausgetreten“, verkündete Stephan Urbach auf Twitter. „Von Glückwunschschreiben bitte ich Abstand zu nehmen.“

In seinem Blog ergänzte der Berliner Netzaktivist knapp: Auch den Platz auf der Landesliste zur Bundestagswahl gebe er auf. Das war’s. Nachfragen zu seinen Motiven? Beantworte er zurzeit nicht, lässt Urbach wissen.

Ein Pirat wirft hin. Nicht irgendeiner. Der 32-Jährige, Mitarbeiter der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, gehört zu den namhaften Nerds in der Netzwelt. Doch das Echo auf seinen Austritt klingt so abgeklärt, als hätte man sich unter Piraten an derlei Abschiede gewöhnt.

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Urbach ist schließlich kein Einzelfall. Mobbing, inhaltliche Gräben, miese Umfragewerte – die Krise der Piraten hat Spuren in deren Mitgliederdatei hinterlassen. Vorbei das rasante Wachstum. Inzwischen habe die Partei 1.920 Mitglieder weniger als im August 2012, teilt der Generalsekretär Sven Schomacker auf taz-Anfrage mit. Damals standen 34.322 Namen in seiner Mitgliederdatei. Nun sind es 32.402.

„Hinter unseren Erwartungen“

Damit hat die Partei immerhin noch gut halb so viele Mitglieder wie die Grünen. Andererseits stellt sich die Frage, wie viele Piraten sich innerlich bereits verabschiedet haben – aber zu bequem sind, einen Austrittsbrief zu schreiben.

Bisher haben nach Auskunft der Parteispitze nur geschätzte „40 bis 50 Prozent“ der Piraten überhaupt ihren Jahresbeitrag gezahlt. Das heißt: Bestenfalls die Hälfte aller Mitglieder der Mitmachpartei dürfen gegenwärtig ihr Stimmrecht wahrnehmen – also im engeren Sinne mitmachen.

Damit liege die Partei „hinter unseren Erwartungen“, räumt Schomacker ein. Erfahrungsgemäß steige die „Zahlerquote“ aber über das Jahr hin noch. Er hoffe auf 80 Prozent am Jahresende. Um den Druck zu erhöhen, solle Nichtzahlern von Juni auch an der Zugang zur Abstimmungsplattform Liquid Feedback gesperrt werden.

Mehr als den Entzug ihrer Online- und Offline-Stimmrechte haben säumige Piraten allerdings nicht zu befürchten. Im Gegensatz zur politischen Konkurrenz verzichtet die Partei auf Klauseln in ihren Satzungen, die den automatischen Rauswurf chronischer Nichtzahler ermöglichen. Selbst wer nie seinen Mitgliedsbeitrag überweist, darf dennoch Pirat bleiben.

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18 Kommentare

 / 
  • SU
    Stephan Urbach
  • Y
    YMMD

    Hoffentlich folgen noch einige ähnlich Verstrahlte Urbachs Beispiel. Die sollen Großväterchen Stalin woanders anbeten aber nicht in der Piratenpartei.

     

    Ich zahle übrigens auch nicht. Mit voller Absicht! Für dieses ständige Ismus-Gepeitsche und um sich selbst drehen, gibt es keine Knete von mir. Wenn ich mir diese feministische "PiratinnenKon angucke, dann weiß ich, wofür das Geld versickern würde. Nee dafür gibts nix.

  • C
    Cometh

    @Horsti

     

    Das ist eine sehr kluge Beobachtung. Wie kann ich eine neue Partei fertigmachen? Einfach indem ich ihren Markenkern verwässere.

     

    Und so wurde von interessierter Seite (rot/grün) das Thema "Frauen" bei den Piraten zum Jahrhundertproblem hochgeschrieben, so dass ein Außenstehender die nur als Problempartei wahrnimmt, ohne wirklich Inhalte. Nichtssagende Leute wie "Julia" oder "Marina" wurden dafür gehypt und konnten ihren finanziellen Schnitt machen.

     

    Die "Piraten" wurden durch Profis weichgespült und sind nur noch ein Bettvorleger, durch das Dauergedöns der Twittertanten unwählbar für die allermeisten. So hat man eine Partei ganz schnell fertiggemacht.

     

    Bei der Anti-Euro-Partei wird es ähnlich lauten, nur etwas mehr mit der NS-Keule (Schmuddelecke), aber auch ein bischen Gender bitte.

     

    Und so haben wir am Ende nur die Blockparteien, die austauschbar sind, und einen Paria (Linke) für die Radikalen Überzeugungstäter und Leute, die auf diesem Ticket Karriere machen wollen (z. B. der Porschefahrer Ernst oder die Hummer-Liebhaberin Sarah W.).

  • G
    Gründungsmitglied

    Ich war Gründungsmitglied und zahle seit ca. 3 Jahren keinen Beitrag mehr. Anfänglich dachte ich, ich würde dann automatisch ausgeschlossen. Ich meine, mich zu erinnern, dass so eine Klausel auch mal in der Satzung stand. Mag sein, dass ich mich irre, aber ich vermute eher, dass die Klausel nicht genutzt wird oder aber mittlerweile entfernt wurde, um medienwirksam von einer großen Mitgliedschaft sprechen zu können.

  • T
    Thomas

    Hab mir überlegt, dort einzutreten. Genau jetzt, nach dem Motto: Jetzt erst recht. Das Risiko aber, in einem Verband zu landen, in dem irgendwelche rechten oder maskulinistischen Schreihälse das Sagen haben, ist mir zu groß. Kein Bock, mich im RL auch noch mit Trollen rumzuschlagen. Die PP soll erstmal ihr Problem mit denen lösen (vielleicht will ja die AfD welche haben), dann kriegt sie mich auch.

  • H
    Herbstwahl

    Die Piraten...

    Diese Hipster-Bewegung, denn von einer ernsthafter Partei kann man hier nicht sprechen löst sich langsam auf.

    Und das ist gut so!

     

    Es gibt solide Alternativen im Herbst, z.B. die AfD...

  • H
    Horsti

    Das die Piratenpartei schrumpft ist nur zwangsläufig. Als man sich noch um die Kernthemen kümmerte, holte man bei den Stammwählern (junge Männer) zweistellige Wahlergebnisse. Dann kamen die Genderisten und Feministen. Jetzt liegt die Partei bei 3%. Die Stammwähler sind weg und Feminismus gibt´s bei anderen Parteien auch.

  • O
    oil

    Ich kann den Austritt sehr gut verstehen. Es ist vielleicht eine Mitmach Partei (im Sinne von Arbeit) aber sicherlich keine Mitbestimmungspartei. Durch die chaotischen Parteitage, die selten mal regulär stattfinden, und das Unvermögen die Parteitage online oder verteilt stattfinden zu lassen, kann das normale Mitglied an der Ausrichtung der Partei eigentlich keinen Einfluss nehmen. Verständlich dass keiner zahlt. Durch ein delegierten System ist selbst ein CSU Parteitag noch demokratischer. Mein Austritt erfolgte schon vor Monaten. MfG Oil

  • H
    Heinz

    Ist doch wie im Kindergarten:Heute spiele hier mit, morgen macht es mir woanders mehr Spaß. Und Spaß ist wichtig.

  • J
    julius

    Man sieht hier übrigens nicht ein, sondern zwei oder mehrere Phänomene: 2000 Piraten weniger vs. Urbach, Lenze etc. treten aus. Letztere, weil das starre Gebilde Partei nicht so progressiv ist, wie man selbst. Weil alles zerren und ziehen in die Richtung, in die man will, vergebens war. Der Apparat der Partei als bremsender Klotz der eigenen Politik, nicht (mehr) als Förderer. Den Ersteren, die jetzt in Massen austreten, und die sich en Gros wahrscheinlich nie parteipolitisch betätigten, fehlt wohl inzwischen der Protestcharacter.

    Und das alles, die "möglichen" 13% für die Piraten, der neue Medienhype und Protestlerhort AfD, all das bewegt sich unter "demoskopisch nicht messbar" unter "Sonstige", egal mit wie vielen oder wenigen Mitgliedern, egal ob mit oder ohne Urbach und ob sich die "Netzaktivisten" mit den Piraten überworfen haben oder "Professoren" "Anti-€-Parteien" gründen. Alles unter "Sonstige". Wie schrumpft denn die CDU und wer ist da kürzlich ausgetreten?

  • J
    Johnny

    Man sollte bei der Reaktion nicht vergessen, _wer_ da endlich austritt: Zensurbach, ein Stalinist erster Güte, der anderen den Mund verbietet und das auch gerne mit Gewalt durchsetzen würde. Was ihm nicht passt, das soll im Internet pauschal gelöscht werden, moralische Instanz ist Zensurbach allein.

    Dass sojemand überhaupt bei den Piraten aktiv sein konnte ist eine Berliner Eigenart: dort sind die grüne Jugend und die locker organisierte Antifa ja recht geschlossen bei den Piraten eingetreten und haben die Landesliste besetzt.

     

    Jetzt kehren sie nach getaner Arbeit -Piraten versenken- eben zurück zur Mutterpartei.

  • T
    tommy

    haha, geschieht den blöden Techniknerds recht!

  • R
    ReVolte

    Spätestens seit der "PiratinnenKon" sind die Piraten keine Mitmachpartei mehr.

    Sabotiert, geentert und auf Grund gesetzt.

     

    http://www.danisch.de/blog/2013/04/07/mein-bericht-von-der-piratinnenkon/#more-6588

     

    Wo kommen wir den auch hin wenn nicht Geschlecht sondern die freiheitlichen Grundrechte zum Maß aller Dinge gemacht werden? Richtig, zur freien Rede jenseits feministischer Dogmen und Klientelpolitik.

    Das muss verhindert werden.

  • FF
    Fischers Fritze

    Gehen die jetzt alle zur AfD?

  • GH
    Guido Hartmann

    Der exorbitante Mitgliederzuwachs der Piraten in 2011 und 2012 hat viele Menschen in die Partei gespült, die dort nie wirklich angekommen sind.

    Viele Leute, die bei den Piraten eher bessere Linke oder andere Grüne gesucht haben, sind jetzt enttäuscht. Ein bisschen schrumpfen tut den Piraten gut und wird von ihnen selbst auch gelassen gesehen.

  • M
    m3t4b0m4n

    Hat Astrid Geisler eigentlich den Anspruch, Journalistin genannt zu werden oder recherchiert man bei der Taz generell nicht mehr?

     

    1. Die Piratenpartei ist auch 2010/2011 schon einmal geschrumpft

     

    https://wiki.piratenpartei.de/Datei:Mitgliederentwicklung.png

     

    2. Bei anderen parteien wird nicht automatisch jeder Nichtzahler raus geschmissen.

     

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article9051193/Linkspartei-will-Karteileichen-streichen.html

     

    Ziemlich peinlich, liebe TAZ. Frau Geisler sollte eventuell erstmal ein Praktikum bei einem Lokalblatt machen, ehe man sie an ernsthafte Themen läst.

  • C
    cometh

    Julia und Marina haben noch gerade rechtzeitig ihre nichtssagenden Bücher, oder Machwerke, für viel Geld an noch geldgierigere Verlage verkauft, die sich gottseidank, mit dem Zeugs verspekuliert haben.

     

    2014 interessieren die beiden so viel wie die Schatzmeisterin des Essener Vereins der Ehrenkarnevalsprinzessinnen, wetten?

  • B
    Betelgeuse

    Solche Typen wie der Urbach sind der Grund warum ich bei den Piraten ausgetreten bin. Von der Sorte gibt's trotz seines "Austritts" noch mehr als genug.

     

    Sie denken das alle Menschen gleiche Rechte haben sollten ? Dann sind sie entweder "Rechts offen" oder "Maskulinist", wahrscheinlich aber eher beides und damit quasi ein Nazi. Egal welches Thema, abweichende Meinungen zur Linie der Parteiprominenz im LV-Berlin werden sehr schnell mit den abstrusesten Argumenten in die braune Ecke weg diffamiert.

     

    Ich glaub ja noch immer das Urbach und Park spätestens nach der BTW wieder mit an Bord sind und der Austritt der beiden nur eine Parteiinterne PR-Aktion ist um den Rest wieder auf Linie zu bringen. Frei nach dem Motto: "Seht was IHR mit eurer falschen Meinung zu Themen angerichtet habt!"