piwik no script img

Piraten in Bayern"Wer Twitter Mist findet, sollte faxen"

Die Piratenpartei begeht den politischen Aschermittwoch. Der bayerische Landesverband kann sich vor neuen Mitgliedern kaum retten.

Tätää, Tätää, Tätää: Piraten-Cowboy mit roter Nase und orangener Fahne beim politischen Aschermittwoch in Ingolstadt. Bild: dpa

INGOLSTADT taz | Stefan Körners Rede dauert keine zehn Minuten. Und das, obwohl dem bayerischen Landesvorsitzenden der Piratenpartei eine ganze Viertelstunde zugedacht war - so viel, wie auch den anderen dreizehn Rednern beim Aschermittwoch der Piraten in Ingolstadt.

Er wolle keine zweistündige Monumentalveranstaltung halten, hatte Körner im Vorfeld gesagt. Gemeint ist: Der Pirat will sich von den Politikern der "etablierten Parteien" absetzen. Denn auch die treffen sich an diesem Tag, um - der niederbayerischen Tradition folgend - bierselig über den politischen Gegner herzuziehen.

Doch im Gegensatz zu den Reden, die dort zu erwarten sind, hat Körner das aus seiner Sicht Wichtigste schnell gesagt: Es geht um die Internetkompetenz der anderen Parteien. Und die ist, das macht er ohne Umschweife deutlich, so gut wie nicht vorhanden.

"Wer Twitter Mist findet, sollte beim Fax bleiben", ruft er Hubert Aiwanger, dem Chef der Freien Wähler, unter dem Applaus der Piraten zu. Der hatte vor kurzem seinen Twitter-Account gelöscht, weil ein Mitarbeiter darüber Blondinenwitze verbreitet hatte.

Bayern hat den größten Landesverband

Die langen Tische mit den orangefarbenen Servietten im Ingolstädter Stadttheater sind gut gefüllt Seit der letzten Bundestagswahl und seitdem die Piraten 2011 ins Berliner Abgeordnetenhaus einzogen, hat die Partei stark an Mitgliedern zugelegt - in Bayern um 65 Prozent. Zum Jahreswechsel verzeichnete der Landesverband 4.300 Mitglieder, ein Jahr zuvor waren es noch 2.600. Damit sind die bayerischen Piraten der größte Landesverband der Partei.

Dass Körner in seiner Rede keine anderen Themen aufgreift, entspricht seinem Programm. Der 43-jährige Softwareentwickler aus Amberg hat die Erklärung der Gruppe 42 unterzeichnet. Sie fordert, dass die Kernthemen der Piraten als solche bewahrt werden sollen.

Seit die Partei so schnell wächst und politische Verantwortung übernommen hat, drängend vor allem Neumitglieder darauf, dass sich die Piraten auch zu anderen Themen positioniert, zum Grundeinkommen beispielsweise oder zur Legalisierung weicher Drogen.

Gezwungen, das Themenspektrum zu erweitern

Körner hält das für falsch: "Ich habe früher immer die Politiker dafür kritisiert, dass sie über Dinge sprechen, von denen sie ganz offensichtlich keine Ahnung haben", sagt er. Den Piraten soll es anders ergehen. Der Kampf gegen Zensur im Internet und gegen den Abbau von Bürgerrechten, das Engagement für mehr Transparenz und den freien Zugang für Bildung waren der Grund, warum er 2009 zu den Piraten stieß.

"Das Internet ist eine Erfindung, die womöglich von ähnlicher Bedeutung für uns sein wird wie der Buchdruck", sagt Körner, der seit 17 Jahren Computersoftware entwickelt. "Das will ich mir nicht von Politikern kaputt machen lassen, die aus Angst Regeln erlassen für etwas, das sie nicht verstehen." Dass die Partei trotzdem gezwungen sein könnte, ihr Themenspektrum zu erweitern, sieht er als Dilemma, "für das wir noch keine abschließende Lösung gefunden haben".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • T
    Twitter?

    Typisch für die Piraten, dieses Freund-Feind-Denken: Wer Twitter doof findet, der muss ein reaktionäres ... sein, weil die Piraten twittern und es deswegen toll ist. Dass es auch inhaltliche Gründe gegen das Gezwitschere geben kann - Stichwort "Beschleunigung" der Politik zB -, ist für die Piraten wohl außerhalb ihrer Welt. Und das sagt ihnen jemand, der ganz pirat ziemlich permanent im Netz unterwegs ist.

  • M
    mueslikind

    Offenbar nur die erste Rede angehört. Warum handelt der ganze Artikel vom bayerischen Parteivorsitzenden? Piraten nicht verstanden...

  • N
    namenlos

    @franz

     

    wo steht, dass twitter diese daten nicht verkauft ?

     

    mich stoert unter anderem sehr, dass twitter sich vorbehaelt daten zu veraendern.

     

    spielt weiter....

  • F
    Franz

    @namenlos: Das sind Nutzungsrechte, die Twitter benötigt, um die Twitter-Texte auf den Servern zu speichern und Nutzern weltweit auf Geräten anzuzeigen.

     

    Ohne diese Nutzungsrechte wäre der Betrieb der Plattform nicht möglich. (Das ist ja gerade der Sinn von Twitter, dass meine Texte gelesen werden ...)

     

    Was hat das nun mit der Kompetenz eines Twitter-Nutzers zu tun, der sich für den Schutz von Bürgerdaten einsetzt? Schlimm wäre, wenn Twitter Daten verkaufen würde, ohne dass dies für den Nutzer klar wäre.

  • N
    namenlos

    Auszug Twitter Datenschutzbestimmungen und damit zur Kompetenz dieser Partei:

     

    http://twitter.com/privacy

     

    "Sobald Du einen unserer Dienste verwendest, erklärst Du Dich mit der Erhebung, Übertragung, Veränderung, Speicherung, Offenlegung und anderer Verwendung Deiner Informationen, wie in dieser Datenschutzerklärung beschrieben, einverstanden. Unabhängig davon, in welchem Land Du wohnhaft bist oder die Informationen erstellst, können Deine Informationen von Twitter in den Vereinigten Staaten von Amerika oder jedem anderen Land, in dem Twitter agiert, verwendet werden."