Pioniere der Öko-Bewegung: „Das war eine Trotzreaktion“

Vor 30 Jahren gründeten AktivistInnen aus Bremen und Hamburg die Umweltschutzorganisation Robin Wood – als Abspaltung von Greenpeace. Klaus Scheerer war dabei.

Passte den Greenpeace-Oberen nicht ins Konzept: Der Protest gegen Boehringer feierte 1992 Zehnjähriges. Bild: Henning Scholz

taz: Herr Scheerer, warum gibt es Robin Wood, wenn es doch schon Greenpeace gibt?

Klaus Scheerer: Das ist ein unterschiedlicher Ansatz. Meine Frau und ich haben ja 1978 Greenpeace Deutschland mitgegründet. Uns hat dann aber nicht gefallen, dass die Kommandostruktur von oben nach unten lief. Greenpeace International hat gesagt, welche Themen bearbeitet werden, und genehmigt, wenn wir Vorschläge gemacht haben: ja oder nein.

Worüber haben Sie sich zerstritten?

Greenpeace Deutschland hatte damals die erste Aktion bei Boehringer in Hamburg gemacht, die hatten ein relativ kleines Werk, das Lindan produziert hat – ein Pestizid, bei dessen Produktion unheimlich viel giftige Abfälle anfallen, sieben Tonnen pro Tonne Pestizide. Die Arbeitsschutzbedingungen waren katastrophal. Das ging so weit mit den Emissionen, dass die Gemüsebauern im Umland Verkaufsverbot hatten. Wir sind da auf dem Schornstein gewesen. Danach ist das aber von Greenpeace International gestoppt worden.

Warum das?

Die haben gesagt: Nee, das ist nicht unser Thema, Schluss. Und da haben wir gesagt: Das kann’s nicht sein. Wir haben versucht, bei Greenpeace was zu verändern, da war hier ein großes Meeting mit David McTaggart und der ganzen Führungskorona, aber die haben uns abgebügelt. Die haben versucht, uns quasi einzukaufen, indem sie einigen von uns Revoluzzern Posten angeboten haben. Ich sollte zum Beispiel Trustee werden bei Greenpeace Deutschland.

Trustee?

Vertrauensperson. Da hab ich gesagt, nee, das ist nicht, was wir wollen. Wir wollten nicht die Leute verprellen, die an der Basis mitarbeiten. Wir wollten, dass die Bewegung größer wird und dass aktive Leute sich beteiligen mit ihren Ideen, sodass wir auch flächendeckender arbeiten können. Und das war nicht der Ansatz von Greenpeace. Die wollten das immer von oben unter Kontrolle behalten, und das ist im Wesentlichen heute noch so.

71, fuhr 15 Jahre zur See. Danach wechselte er zum Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie in Hamburg. 1978 stieß er zu Greenpeace, 1982 gehörte er zu den treibenden Kräften bei der Gründung von Robin Wood.

Und dann haben Sie gesagt: Wir machen unseren eigenen Laden auf.

Das war eine Trotzreaktion, aber das waren nicht nur wir. Da war eine Umweltgruppe in Kiel, in Köln ganz fitte Leute vom Kölner Volksblatt und von der Katalyse-Gruppe, wo Chemiestudenten mitgearbeitet haben, in Bremen waren Leute und in Berlin.

Was war Ihre erste große Aktion?

Das war am 23. Februar 1983, damals war der saure Regen noch ein Thema, und da sind wir hier in Hamburg auf dem Michel gewesen. In Berlin ist ein Kraftwerk besetzt worden, die Kölner waren auf einem Braunkohlekraftwerk und die Kieler haben so ’ne Aktion gemacht, die auf die Luftverschmutzung hinweist, mit Gasmasken und so weiter. Und in Bonn haben wir auf einer Pressekonferenz das erste Robin-Wood-Buch „Saurer Regen“ vorgestellt.

Was haben Sie auf dem Michel gemacht?

Wir haben uns abends in den Turm einschließen lassen und dann morgens ein großes Transparent ganz von oben runtergelassen, auf dem stand: „Rettet den Wald“. Hauptpastor Hans-Jürgen Quest hat uns das zunächst übelgenommen, wir konnten ihm unser Anliegen aber erklären.

Gegen die drei Millionen Unterstützer von Greenpeace ist Robin Wood klein …

Wir sind knapp 1.500 bundesweit.

Trotzdem sind Sie ziemlich bekannt.

Das kommt, weil wir immer pfiffige Aktionen gemacht haben. Und weil wir sehr vorausschauend waren. Beim sauren Regen haben wir uns in unserer Anfängernaivität gesagt, gut, in die Kraftwerke müssen Entschwefelungsanlagen rein und Entstickungsanlagen, und alles ist gut. Aber dann haben wir gemerkt, es war gar nicht gut, es musste noch viel mehr gemacht werden. Da kam der Autoverkehr hinzu. Dann haben wir uns in die Energiepolitik reingekniet. Dann der Luftverkehr, da haben wir schon in den ersten Jahren drauf hingewiesen, dass das ein Riesenproblem fürs Klima ist, als uns die großen Klimaforscher von heute alle noch ausgelacht haben.

Bei Greenpeace hat man Bilder im Kopf von Aktionen mit Schlauchbooten. Bei Robin Wood sind es Transparente – und Floßfahrten. Warum Flöße?

Weil das einmal eine Sache ist, die ganz viel mit dem Wald zu tun hat, die Nutzhölzer sind ja früher alle per Floß transportiert worden. Dadurch haben wir dann Öffentlichkeit: Das Floß fährt die Flüsse runter, stoppt überall, und dann werden Aktionen gemacht und Informationsveranstaltungen. Das ist ganz erfolgreich.

Es ist aber nicht einfach, auf diesen Flößen zu fahren.

Wir haben Leute, die sich da auskennen.

Waren Sie nicht Kapitän?

Ja, ich habe das Kapitänspatent auf großer Fahrt. Ich habe im Lauf meiner Jahre auf See erlebt, dass es mit den Walen immer weniger wurde. Früher sah man überall in der Nordsee Wale, im Atlantik sowieso. Als sich die Greenpeacegruppe Hamburg gebildet hat, hat sie eine Aktion vor meinem Arbeitsplatz gemacht. Ich war nach meiner Seefahrtszeit beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie. Damals ging es Greenpeace um die Verklappung von Dünnsäure bei Helgoland, die Schollen hatten plötzlich Geschwüre und der Fisch war fast unverkäuflich. Dagegen hat sich Greenpeace damals gewendet. Da hab ich gesagt, Mensch, dass ist Klasse, was ihr macht, und ich bin mit meiner Frau hingegangen.

Welches Ziel muss Robin Wood noch erreichen?

Wir sind gerade erst in der Anfangsphase. Die Umweltprobleme sind alle bekannt, aber es wird zu wenig dagegen getan. Die großen Firmen haben sich ihre Strategien erfunden, mit denen sie versuchen, uns weichzuspülen. Wir haben gerade eine Kampagne laufen gegen die Palmölplantagen, für die in Südostasien hektarweise Regenwald gefällt wird. Und hier werden dann Margarine, Kosmetika, Öle, Fette, Biosprit, alles Mögliche daraus hergestellt.

Und was tun Sie dagegen?

Wir waren kürzlich in Brake an der Unterweser, bei einer Fett-Raffinerie, die für Unilever arbeitet, und haben da eine Blockade gemacht. Wir versuchen darauf aufmerksam zu machen, damit solche Produkte vom Markt kommen oder wenigstens zurückgedrängt werden. Früher hat man Margarine ja auch nicht aus Palmöl gemacht, da wurden hier Sonnenblumen angepflanzt. Aber dadurch, dass alles billig und Massenproduktion ist, ist es ein Problem.

Auf Ihrer Homepage steht, dass Robin Wood ein Defizit hat. Muss man sich Sorgen machen?

Jetzt ist es natürlich schwierig, weil wir fest angestellte Leute haben. Aber im Grunde genommen hat uns das von Anfang an begleitet. Bei unserer ersten Aktion waren wir so pleite, da haben wir Rosen, die wir gespendet bekommen haben, an Gärtnereien und an Behörden verkauft.

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