piwik no script img

Piloten müssen zufriedene Menschen sein. Jedenfalls, wenn sie Modellflugzeuge steuernIm Aufwind

AM RAND

Klaus Irler

Heute gibt’s Neues aus der Welt der Glückseligen. Die Glückseligen sind Leute, die an einem Samstagvormittag auf einer Wiese am Hamburger Stadtrand stehen und in den Himmel schauen. Der Himmel ist blau, aber auch wenn er bewölkt wäre, wären die Leute hier.

Was die Leute am Himmel sehen, das sind ihre Modellflugzeuge. Maximal 1,50 Meter beträgt die Spannbreite der Flügel, der Rumpf ist kürzer, das Material leicht, das Design schlicht. F3K nennt man diese Modellflugzeuge, die sich keine Mühe geben, so auszusehen wie ein großes, echtes Flugzeug. Hier geht es nicht um Äußerlichkeiten. Hier geht es um Thermik und darum, oben zu bleiben.

Es ist ein Wettbewerb, der die vielleicht 25 Leute auf dieser Wiese in der Kollauniederung in Niendorf zusammengeführt hat. Der Wettbewerb heißt „Hamburger Schleudergang“, weil die Modellflieger ihre Flugzeuge zu Beginn jeden Fluges in die Luft schleudern. Einen Motor haben sie nicht, geflogen wird nur mithilfe des Windes. Mit der Fernsteuerung lassen sich die Quer-, Seiten- und Höhenruder bewegen.

Die Piloten sind zum Teil weit angereist, Lemgo, Oldenburg, Hildesheim, ohne Fahrten geht es nicht, die Szene ist klein – und männlich. Der Wettbewerb zieht fast keine Frauen an, eine Pilotin ist auszumachen, der Rest sind Jungs, die von außen aussehen, als wären sie schon erwachsen. Die Gleichgeschlechtlichkeit tut dem Treffen gut. Das Gockeln fällt weg und es ist niemand hier, der nicht hier sein will.

Die Leute sind glückselig, weil sie ein Hobby haben. Keine monetäre, sexuelle oder gesellschaftliche Verwertbarkeit drückt sie, sie dürfen hier etwas tun, das einzig und allein den Sinn hat, ihnen Spaß zu machen. Noch dazu sind sie beim Ausüben ihres Hobbys nicht einsam, aber sie sind weit weg von irgendeiner Form öffentlicher Aufmerksamkeit.

Die Leute sitzen auf Campingstühlen am Rand der Wiese, warten auf ihren Einsatz und schauen den anderen Jungs beim Fliegen zu. Ihre Flugzeuge und Werkzeugkasten bewahren sie in Strandmuscheln auf, man hilft sich aus mit Sonnencreme und trägt gerne Strohhut.

Der Wettbewerb dreht sich darum, in verschiedenen Disziplinen dieselbe Kompetenz zu zeigen: Man muss das Flugzeug in der Luft halten können. Durchgeführt wird ein Flug von dem Pilot an der Fernsteuerung und einem Helfer, der die Zeit nimmt. Die Piloten helfen sich gegenseitig. Das führt zu einer angenehmen Beschädigung des Konkurrenzdenkens. Wer am Samstag gewonnen hat, steht am Sonntag nicht im Internet.

Ich weiß nicht, welche Abgründe die F3K-Szene hat, vielleicht gibt es etwas, das man als Zaungast nicht sieht. Vielleicht stehen da gescheiterte Boingpiloten oder abgebrochene Maschinenbauer. Vielleicht wird in der Newsgroup gedisst und die Fernsteuerung des Kollegen manipuliert. Glaube ich aber nicht. Ich glaube, die Jungs wollen einfach fliegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen