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Pilger-FilmDie Linkskomödie

Kommentar von Barbara Schweizerhof

"Saint Jacques... Pilgern auf Französisch", ist bissig und amüsant. Um die Religion schert er sich kaum, und niemand kehrt brav in die Arme der Gesellschaft zurück.

Der Jakobsweg - welch herrlicher Bürgerspaß! Bild: schwarz-weiss film

D as Pilgern auf dem Jakobsweg ist schwer in Mode. Auf Wikipedia finden sich erstaunliche Belege dafür: Wo 1970 ganze 68 Pilger verzeichnet wurden, zählte man 2006 über 100.000. Coline Serreaus Komödie, in Frankreich bereits 2005 ein großer Hit, ist einerseits Ausdruck dieses Booms und mag andererseits auch weiter dazu beigetragen haben. Dabei interessiert die 60-jährige Altmeisterin der "linken Komödie" der Jakobsweg nur als Mittel zum Zweck: Wie die ungewollte Vaterschaft in "Drei Männer und ein Baby" oder die Fabrikintrige in "Milch und Schokolade" stellt das Pilgern in "Saint Jacques" lediglich die Voraussetzung dar, um die Figuren von der Zwangsjacke ihres bürgerlichen Alltags zu entblößen und sie im Chaos einstürzender Gewiss- und Gewohnheiten zu einer neuen Gelassenheit finden zu lassen.

Das klingt zunächst vielleicht langweilig und nach Anpassung. Genauer betrachtet handeln die meisten Komödien mit Happyend ja letztlich von einem Akt der Erziehung, bei dem liebenswerte Außenseiter in die Gemeinschaft der "Normalen" rückintegriert werden. Bei Serreau jedoch, und das macht den besonderen Charme ihrer Filme aus, dürfen die Außenseiter sich treu bleiben und ihre Identität behalten. Das gibt ihren Filmen oft eine utopische Anmutung. Am Ende ihrer Komödien ist es nämlich fast so, als passte sich die Gemeinschaft der "Normalen" an die Außenseiter an.

Unter den französischen Regisseuren mit internationalem Rang nimmt Coline Serreau eine merkwürdige, wenn auch einzigartige Stellung ein. Für die wahre Autorenwürde sind ihre Filme zu kommerziell. Für den Kultstatus sind sie formell zu anspruchslos. Aber wie oft im Komödienfach kann man sich in der Ecke des leicht Verachteten besonders gut amüsieren.

Es ist dreißig Jahre her, dass ihr mit "Pourquoi pas" der erste Programmkinohit gelang. Ganz im Geist der 70er ging es darin um eine glückliche Dreierbeziehung und darum, was passiert, wenn jemand Viertes dazukommt. Ihren größten Erfolg feierte Serreau mit "Drei Männer und ein Baby", einem der schönsten Filme über den Einbruch der Fürsorge ins männliche Leben, der sogar im amerikanischen Remake noch etwas von der einstigen Rauheit bewahrte. Darunter auch die Unerhörtheit, dass die Frau, die ihr Kind da so einfach in einer Männer-WG absetzt, nicht dämonisiert werden muss.

Auch am Anfang von "Saint Jacques" steht jede Menge unziemliches Benehmen: Drei Geschwister kurz jenseits der besten Jahre versammeln sich zur Testamentseröffnung der jüngst verstorbenen Mutter beim Notar. Es stellt sich heraus, dass sie nur dann erben, wenn sie gemeinsam den Jakobsweg gehen, von Le Puy bis Santiago di Compostela. Ihre Antwort besteht aus Wutanfällen, in denen sich zuerst einer der Brüder und dann die Schwester in langen Tiraden über das eigene Leben diese Zumutung von sich weisen. Nur Komödien können sich diesen Luxus leisten: die Figuren von ihrer schlechtesten Seite einzuführen. Clara zeigt sich als mürrische, überengagierte Lehrerein, die sich um ihren arbeitslosen Mann sorgt. Ihr Bruder Pierre ist das rechte Gegenstück dazu: ein egozentrischer, arbeitswütiger Geschäftsmann, abhängig von seinem Sekretär, seinen technischen Spielzeugen und einer Palette an Medikamenten. Der dritte im Bunde, Claude, ist der Anarchist unter ihnen - ein sanfter, aber nichtsnutziger Alkoholiker, der sich mit unterwürfigem, aber hartnäckigem Charme durchs Leben schnorrt. Es ist fast überflüssig, es noch zu erwähnen: Alle drei hassen sich gegenseitig.

Natürlich ist das Ende von Anfang an absehbar: Sie werden sich zusammenraufen. Aber man hat am Anfang tatsächlich keine Ahnung, wie das gehen soll. Das notwendige Gegengewicht zum Familiendrama bildet die Pilgergruppe, zu der unter anderem zwei Jungs mit "arabischem Migrationshintergrund" gehören. Sie sind der Grund, weshalb der Film im Original "Saint Jacques - La Mecque" heißt. Said hat seinem Kumpel Ramzi aus Gründen besserer Motivierung erzählt, es ginge nach Mekka. Selbst als er die Wahrheit erfährt, stellt sich Ramzi an den einschlägigen Denkmälern der Strecke auf und ruft ohne Hemmung sein "Allah Akbar" in die katholische Luft. Zumindest in seiner Pilgergruppe stört das keinen.

Es geschieht also, was in solchen Filmen immer geschieht. Man erlebt kleine Zusammenbrüche, man lernt, wie schön das einfache Leben und was wirklich wichtig ist. Zum Beispiel lesen können, und sei es nur, um im Vorübergehen einen Blick auf eine Zeitung zu erhaschen und zu erkennen, dass Marseille Lyon mit 2:0 besiegt hat. Ramzi ist es, der als Analphabet die Reise antritt und durch Claras mürrische Belehrung dieses banale Wunder erleben darf. Dass kein Kitsch daraus wird, hat damit zu tun, dass Serreau immer wieder das Pathos durch die geschickte Betonung von Nebensächlichkeiten untergräbt. Auch schleppen sich ihre Figuren die meiste Zeit angemessen müde und verdrossen über die Hügel. Vor allem aber dürfen sie sich trotz Läuterung wie gesagt treu bleiben: Am Ende ist Clara immer noch mürrisch, Pierre obsessiv und Claude ein Trinker. Und versöhnt haben sie sich auch nur "ein bisschen".

"Saint Jacques ... Pilgern auf Französisch". Regie: Coline Serreau. Mit Muriel Robin, Artus de Penguerin, Frankreich 2005, 103 Min.

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