: Philosophierende Leinwand
Der Bremer Videopreis eröffnet Perspektiven auf Monumentales und Schattiges
Bei einer Strumpfhose würde man sagen: blickdicht. Aber es handelt sich um eine Rückwandprojektionsfolie. Sie eliminiert sogar Streulicht. Und wenn man ein Bild auf sie wirft, sieht man’s nur, wenn der eigene Schatten davor liegt.
Eine spannende Relativität von Blickdichte! Und: eine Installation von Karina Smigla-Bobinski in der Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst. Der schattende Betrachter wird mit lebensgroßen GegenübersteherInnen konfrontiert: mit Wartenden, einer Dirndlträgerin oder einer Galeristin aus Panama, die sich in einer dreistündigen Prozedur in ihr heimisches Traditionskostüm begeben hat – um jetzt einfach gegenüber zu stehen. Sichtbar oder unsichtbar.
Die Versuchsanordnung von Smigla-Bobinski, Bremer Videokunstpreisträgerin 2003, eröffnet ein proppenvolles philosophisches Panorama: Sind wir nicht quasi in Platons schummriger Höhle? Deren Schattenbilder im Verhältnis zur hellen Außenwelt eine treffliche Metapher für Erkenntnisebenen liefern? Oder ist das Ganze irgendwie Kant, weil man ja nur durch die Gegenwart anderer seiner Existenz sicher sein kann? Sagen wir einfach: Du wirfst Schatten, also bin ich. Das Beste ist: Auch theoriefrei macht Smigla-Bobinskis Arbeit Spaß.
Hauptpreisträger Caspar Stracke setzt aufs Monumentale. Und ist um die halbe Welt gereist, um Repliken von Petersdom, Capitol oder Akropolis in Asien und Afrika zu filmen. Auf einem ebenfalls recht monumentalen Bildschirm (zwei mal sechs Meter) kontert er Originalhälften mit dem Nachgebauten: Halbkuppel stößt an Halbkuppel, Tympanon an Tympanon. Der Effekt: Ein und der selbe Bau scheint gleichzeitig an unterschiedlichen Orten zu stehen. Was soll man jetzt sagen: Schopenhauer? Die Welt als Wille und Vorstellung?
Das Bremer Filmbüro hält sich jedenfalls zu Gute, mit seinem 1992 eingeführten Preis auf Video gesetzt zu haben, als nur 16- beziehungsweise 35-Millimetermaterial als allgemein kunstfähig galten. Das Konzept: Ausgezeichnet werden Entwürfe, die mit dem Preisgeld dann zur Realisierung kommen. So weiß seit gestern Michaela Schweiger, dass sie ihre „City of tomorrow – revisited“, eine Feldforschung im Berliner Hansaviertel, tatsächlich umsetzen kann. Und 04-Mitpreisträgerin Katharina Matiasek wird mit „Insel Play-Back“ eine Übertragung der visuellen Struktur eines Küstenverlaufs in Klang versuchen. Henning Bleyl
Bis zum 7.11. in der GAK Bremen