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Pharma-Lobby setzt sich durchMedikamenten-Prüfer muss gehen

Der Leiter des Medikamenten-TÜV, Peter Sawicki, muss seinen Posten räumen. Er störte zu sehr die Pharma-Geschäfte und steht der FDP beim Umbau des Gesundheitssystems im Wege.

Der US-Konzern Pfizer wollte nicht, dass das IQWIG auch die unbequemen Studien zu sehen bekommt. Bild: ap

BERLIN taz | Der "Pharmakrieg" um die Frage, wer darf in den nächsten fünf Jahren Deutschlands Pillen-TÜV leiten, ist zu einer regelrechten Schlammschlacht verkommen. Peter Sawicki (52), der seit 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) führt, ist das Opfer. Er muss zum 31. August 2010 gehen. Das beschloss am Freitag der Stiftungsrat und Vorstand des IQWIG. Sawickis Gegner haben alles dafür getan, dass es jetzt so aussieht, als wenn er wegen Verfehlungen bei Abrechnungen - Dienstwagen, Benzinrechnungen, Business-Flügen - seinen Posten als oberster Medikamenten-Prüfer verliert.

Um das Institut "nicht mit Diskussionen um ordnungsgemäße Verwaltungsabläufe zu belasten", solle ein neuer Leiter eingesetzt werden, heißt es in einer Erklärung des Vorstandes. Dabei ist allen Beteiligten klar: Es geht nicht um Peter Sawicki, es geht um eine Richtungsentscheidung in der Gesundheitspolitik.

Als das IQWIG vor sechs Jahren gegründet wurde, hatte es die Aufgabe übertragen bekommen, zu prüfen, ob Medikamente und Therapien auch tatsächlich so wirken, wie die Pharmahersteller es versprechen. Für die Gesundheitsindustrie ging und geht es dabei um Millionen- , wenn nicht sogar um Milliarden-Beträge. Denn die IQWIG-Expertise ist Grundlage für die Entscheidung, ob Krankenkassen für ein Medikament bezahlen müssen oder ob es aus dem Leistungskatalog gestrichen werden darf.

dpa

Peter Sawicki, 52, leitet seit 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Am 31. August 2010 muss er seinen Posten räumen.

Der Facharzt für Innere Medizin und Diabetes-Experte Peter Sawicki war - schon bevor er im September 2004 Chef des IQWIG wurde - bekannt dafür, dass er auf die "evidenzbasierte Medizin" setzte. Die Wirksamkeit von Arzneimitteln muss durch wissenschaftliche Studien eindeutig nachgewiesen sein. Am IQWIG konnte Sawicki, der zuvor als Chefarzt an einer Kölner Klinik arbeitete und auch schon ein Institut für evidenzbasierte Medizin gründete, sich ganz diesem Ziel widmen - mit zum Teil drastischen Auswirkungen.

Manchmal führe die Beurteilung eines Medikaments zu Einsparungen, "aber ganz oft auch zu Enttäuschungen bei Ärzten und Patienten, die in solche Medikamente ihre Hoffnungen gesetzt haben", sagte Sawicki vor wenigen Tagen zur taz. Das ist sehr milde ausgedrückt, denn tatsächlich brachte er viele Patienten und vor allem die Pharmaindustrie in Rage. So zum Beispiel mit der Stellungnahme zu dem Diabates-Medikament Lantus. Die Aktien des Herstellers Sanofi-Aventis brachen darauf hin um über zwölf Prozent ein, und Diabetiker-Verbände organisierten Kampagnen gegen Sawicki. Den Pharmakonzern Pfizer zwang er unter Verschluss gehaltene, unbequeme Medikamentenstudien heraus zu rücken.

Der Druck auf Sawicki durch die Pharma-Lobby wurde immer größer. Als dann im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb vereinbart wurde, die Arbeit des IQWIG müsse überprüft werden, war schon entschieden, dass Peter Sawicki sich einen neuen Job suchen muss.

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17 Kommentare

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  • H
    hto

    "Die Wirksamkeit von Arzneimittel muss durch wissenschaftliche Studien eindeutig nachgewiesen sein."

     

    Bei fast allen Tabletten (Pillen, Dragees, u.ä. wohl eher ausgenommen?), findet man derzeit die in Tierversuchen massiv krankmachende Nanotechnologie Titandioxid - wenn man die Wirksamkeit von möglichen Folgeschäden bedenkt, dann tun die Krankenkassen des "freiheitlichen" Wettbewerbs derzeit sicher gut daran die Gebühren "vorsorglich" zu erhöhen, bei den Massen an zu erwartenden Möglichkeiten / Krankheiten!?

  • TK
    Torsten Klaes

    Unter dem Vorwandt: Dienstwagen, Spesen wird der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen abgelöst. Das nenne ich eine Intrige! Und es findet keine Diskussion in Deutschland statt? Das kann doch nicht sein, in unserem Land, wo Gesundheit quasi Religionsstatus hat. Demnächst werden die Manager der Pharmariesen die Priester dieses Systems sein.

  • J
    Jan

    @taz

    Dass Beiträge, die online erscheinen und wahrscheinlich nicht gedruckt werden sollen, eher mal ein paar Tippfehler enthalten, ist verständlich.

     

    Aber was hier immer öfter präsentiert wird, ist nicht mehr feierlich: in diesen Artikel sind mindestens 9 Fehler eingebaut. Habt Ihr Eure Ansprüche so weit nach unten geschraubt? Falls Euch die Lektoren ausgehen: ich stehe zur Verfügung ;)

     

    Zum Thema:

    Es ist eine Schande! Andererseits aber, so traurig wie es ist, auch nicht wirklich überraschend.

  • K
    Kane

    Schon fast amüsant wie dreist die Bundesregierung Klientelpolitik betreibt. Etwas mehr Eleganz hätte ich da schon erwartet (allerdings, bei dem Personal...)

  • K
    Kuba

    Ehrabschneider

     

    So was nennt sich dann "Liberale". Das ist doch eher eine Bande von Lobbyisten, die sich in den Bundestag wählen lies. Wenn das die geistig moralische Wende ist, dann guten Nacht. Ich hoffe , dass die Leute, die FDP gewählt haben und die nicht zu den Besserverdienden gehören oder die noch etwas Ehre im Leib haben sich jetzt schämen und nie wieder diese verrottete Partei wählen.

  • A
    alwaystrue

    1. Ärzte und Krankenhäuser sind nicht nur IQWIG-Vorstände, sondern bekommen auch mehr vom Kuchen der Gesundheitsausgaben ab, wenn ein effektiver Gegner Pharma-Umsätze kürzt. Wie hat aber dann die Pharmaindustrie Ärzte und Krankenhäuser dazu gebracht, dass sie diesen Helfer ihrer Interessen stürzen?

    2. Nicht alle Wissenschaftler fanden das richtig, was der Gestürzte als Essenz der Wissenschaft präsentierte - aber das stand nur in der FAZ.

  • A
    Anna

    Was kann man da also machen? Die Macht geht längst nicht mehr vom Volke aus, sondern von den Machthabenden. Die sind aber von unserem Konsum abhängig. Also lasst euch, wann immer möglich, keine Pillen der Pharmaindustrie verschreiben, es gibt viel Alternativmedizin, die oft mindestens genausogut wirkt. Langsam muss jedem klar sein, dass man weder sogenannten Experten noch Fachleuten (gewchweige denn Politikern) uneingeschränkt trauen kann, wenn Geld im Spiel ist. Diese Leute haben es einfach nicht gelernt ihre Sucht nach Geld und Macht in den Griff zu kriegen und wollen immer mehr. Moral oder schlechtes Gewissen gibt es da nicht.

  • R
    rokkar

    Herr Gesundheitsminister R.,

    wenn Sie so weitermachen, sollten sie, um Schaden vom

    Deutschen Volk abzuwenden, zurücktreten.

    Falls ihr Amtseid Ihnen mehr bedeutet, als ihre

    FDP-Klientel.

     

    Sich die Minderleister der Pharmaindustrie, die viel

    mehr Geld in die Werbung als in die Forschung stecken,

    die unliebsame Studien-Ergebnisse einfach verstecken dürfen, als leuchtendes Vorbild zu nehmen, lässt Sie,

    verdienterweise sehr sehr schlecht aussehen (-:

     

    Anders als Herrn Sawicki.

  • P
    Peter

    Man darf gespannt sein, ob das deutsche Stimmvieh doch irgendwann merkt, dass das Land unter die Räuber gefallen ist - neue Belege für die beabsichtigte Ausplünderung werden ja fast täglich geliefert. Bei unseren westlichen Nachbarn, die offenbar mehr A... in der Hose haben, würden vermutlich schon die ersten Barrikaden brennen.

  • TS
    Thomas Schwarz

    Prof S. ist kein Weisenknabe.

    ...Dienstwagenaffäre...Abmahnung wegen zugeschanzten Geschäften an die Familie...

    Wer der Moralapostel gegen die Pharma-Lobby sein möchte, braucht eine weisse Weste.

    Wer bezahlt das IQWIK - die Krankenkassen. Werden hier nicht auch handfeste Interessen vertreten? Es geht ums Sparen und Rationierung und das braucht das Mäntelchen der Wissenschaft und Statistik.

    Wer glaubt,dass die Kassen nur die Interessenvertretrung der Patienten im Sinn haben ?

  • W
    Westberliner

    Diese - nicht meine - Regierung labert von früh bis abend von Wachstum, Freiheit und Selbstbestimmung.

     

    Ich kann das Wort "Wachstum" nicht mehr hören. Das kostbare Wort "Freiheit" ist von der Mövenpickpartei FDP unheimlich missbraucht worden.

     

    Rösler, Homburger, Westerwelle, Brüderle, Lindner aus Berlin und die anderen Marionetten der Atomindustrie, der Pharmakonzerne ... aus CSU und CDU plündern die öffentlichen Kassen und treiben einen sozialen Kahlschlag ohne jegliches Beispiel in der Nachkriegsgeschichte voran.

     

    Ich verabscheue diese Art von Menschen. Sie haben geschworen, dass sie Schaden von der Bundesrepublik fernhalten werden. Was ist dieser Eid noch wert, Herr Bundespräsident?

  • M
    Mike

    nichts liegt mir ferner als die Pharma-Riesen zu verteidigen, aber bei aller berechtigter Kritik muss man aufpassen, dass man hier nicht den Bock zum Gärtner macht.

    Denn Sawicki war der Krankenkassen-Lobby mit Sicherheit nicht fern. Durch seine "Studien" haben Krankenkassen Millionen gespart und Millionen Patienten gelitten! (siehe Insulin-Debatte)

     

    In Wahrheit ist das ganze System krank....!!!

  • KK
    Karl K

    Die Tragweite der jüngsten personellen wie inhaltlichen Attacke gegen das IQWiG wird erst deutlich, wenn man sie vor der Folie des Zuschnitts des für die Zulassung von Arzneimitteln zuständigen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn – früher Berlin betrachtet.

    Das BfArM habe ich als eine der am schlechtesten organisierten Verwaltungen meiner richterlichen Tätigkeit – einschließlich Referendarzeit – an drei verschiedenen Gerichten einschließlich einem Obergericht in zwei Bundesländern erlebt.

     

    Bei seinem Umzug von Berlin nach Bonn erlitt das BfArM einen Aderlaß an wissenschaftlichen wie juristischen Experten, der durch nicht annähernd entsprechend qualifizierte Mitarbeiter aufgefangen wurde. Zudem stellt das bei Zulassungen von Alt- wie Neuarzneimitteln einschließlich Generika anzuwendende Arzneimittel-Gesetz aufgrund vielfältiger Änderungen die komplizierte Ruine eines Gesetzes nach erfolgreicher Lobby- Arbeit dar (allen voran der aus Spendenzusammenhängen bekannte Prinz zu Sayn – Wittgenstein).

     

    So forderte der Bundesrat anläßlich der auf Druck der EU wegen der Vielzahl von sog. Altarzneimittel erfolgten Zehnten Novelle unter Andrea Fischer den Bundestag – erfolglos – auf, ein lesbares Gesetz zu schaffen.

    Altpharmaka sind Arzneimittel, die vor 1978 schon auf dem Markt waren, ohne sachliche Prüfung als zugelassen galten und deren Wirkstoffe bis zum Abschluss der Nach-Zulassung in der Menge, Zusammensetzung und Anzahl weitgehend beliebig verändert werden konnten.

    ( Im Jahre 2000 noch ca. 38 000, derzeit einschl. Nachregistrierung immer noch 10 027 Quelle:http://www.bfarm.de/cln_028/nn_424552/DE/Arzneimittel/4__statistik/statistik-verkf-am-zustBfArM.html)

     

    Auch meinte ein vormals zuständiger Berliner Kollege, “wir kriegen eh nur die kleinen Krauter zu sehen und dementsprechend interessieren unsere Entscheidungen niemanden. Die Großen machen das alles auf dem Obergefreiten-Dienstweg ab“.

    Haben doch die an zwei Händen abzuzählenden versierten Rechtsanwälte durchweg mal auf der anderen Seite des Schreibtisches gesessen, kennen das Amt und seine Gepflogenheiten sowieso besser als die neuen Mitarbeiter.

     

    So wurde z. B. der allseits als sachlich geboten und ausreichend angesehene “Nachbesserungszeitraum“ von 6 Monaten bei in der Nachzulassung beanstandeter Altarzneimittel eben mal auf 18 Monate verlängert: nach Bekunden eines Mitarbeiters, “weil der Merck bei Schröder oder umgekehrt auf dem Schoß gesessen und sein “Leid“ geklagt hatte“.

     

    Was den Pharmaherstellern die Möglichkeit eröffnete, das ungeprüfte Arzneimittel weiter auf dem Markt zu lassen, vor allem aber reichhaltig im Zulassungsverfahren nach zulegen, ggf. sogar zu verändern und so das BfArM zu zwingen, in eine erneute zeitaufwändige Überprüfung einzutreten einschließlich der entsprechenden juristischen Gefechte.

    Für unser aller Gerd allenfalls Gedöns. Den Herstellern weiter satte Gewinne sichernd.

     

    Das BfArM - ein zahnloser Papiertiger. Weit davon entfernt, der gut aufgestellten – wie das neudeutsch heißt – Pharmalobby Paroli zu bieten.

    Eh nu´? spiegel-online:“ IQWiG-Chef Sawicki: Oberster Arzneimittelprüfer muss gehen... Es ist ein Sieg der Klientelpolitik und der Pharmaindustrie über den Mann, der ihr lange Zeit ein Dorn im Auge war.“ So geht das.

  • R
    redjeck

    Die machen was die wollen und keiner kann sie stoppen.

    Wie hoch waren eigentlich die Spenden aus der Pharmaindustie für gelb - schwarz?

  • P
    P.Haller

    Was sich diese Regierung (oder sollte man nicht besser von Unternehmer-Lakaien sprechen) in den paar Monaten, seit sie von einem im Vorschweinegrippenstadium befindlichen Wahlvolk an die Macht gehievt wurde, leistet, grenzt eigentlich schon an organisiertes Verbrechertum.

     

    Hier werden nach Belieben Günstlinge (Hoteliers) bedient, andere Nicht-Günstlinge (Brender, Sawicki)zum Teufel gejagt, kaum der Pubertät entsprungene Jüngelchens und Mädelchens uns als Wichtigtuer vor die Nase gesetzt dass es nur die helle Freude ist !!

     

    Und was machen wir ??

     

    Leute, lasst euch bitte, bitte gegen die Schweinegrippe impfen !!

  • SS
    Sebastian S.

    Meiner Meinung nach, müsste solch ein Skandal für deutlich mehr Aufregung sorgen!

  • F
    fischi

    Wirklich traurig und beunruhigend, dass die Pillendreher in D so eine Macht haben.