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Phalleri, Phallera

■ The Confederacy of Fools: „The Wonderful Wonderful Sexy World Of Theatre“. Sex, Sex, Sex...More Sex

Vor einiger Zeit erschien in der titanic ein Bilderwitz: Eine Frau mit beträchtlicher Oberweite steht neben einer Schultafel vor einer ausschließlich männlichen Klasse. Ein Hinterbänkler: „Ich finde es toll, daß unsere Englischlehrerin einen so großen Busen hat.“ Die Lehrerin: „Say it in english, please.“

Das finden Sie geschmacklos? Vielleicht gar sexistisch? Der Anfang einer neuentfachten Debatte in der taz? Nun, warum nicht. Aber vielleicht fahren Sie erst einmal nach Münster oder Erlangen, denn dort werden solche Schoten in den nächsten Tagen am laufenden Band geliefert.

Am Montag und Dienstag waren Richard Blain und Tony Dunham alias Harry Bullit und Tommy Gunn im Theatersaal der Uni Bremen zu sehen. Nicht erst seit Spike Milligan oder Monty Python wissen auch wir drögen Mitteleuropäer um den spezifisch britischen Witz, auch schwarzer Humor genannt. The Wonderful Wonderful Sexy World Of Theatre präsentierten die beiden Wahl-Londoner dem überwiegend jungen Publikum im schnuckeligen Saal mit der intimen Bühne. Eine ganz und gar anzügliche Geschichte des Theaters von der Steinzeit bis ins Thatcher-Britain boten die beiden (einzigen) Mitglieder der Confederacy of Fools - in english, selbstverständlich.

Mit dem britischen Humor ist das so eine Sache. Nicht jede(r) mag ihn, und das hat auch seinen Grund. Derb kann er sein, mit einer Menge Slapstick und Mimik und ganz schön hinterhältig. Auf Kosten anderer lachen, das haben sie gern. So versäumen es Gunn und Bullit auch nicht, schon in ihrem Begleitzettel eine Lachdefinition mitzuliefern: „Eine menschliche Ausdrucksweise für Freude, zuletzt in England vor Frau Thatchers Zeiten gehört.“

Bullit und Gunn, beide in Weste und geblümtem Spencer, versuchen sich der „Leerraum-Theorie“ (I can take any empty space and call it a bare stage) des Avant-Garde Regisseurs Peter Brooke zunächst intellektuell zu nähern. Über das Mann -Frau-Verhältnis und dem Bezug zu besetzten Toiletten landen sie schnell bei frühzeitlichen Höhlenbewohnern - und eben Sex. Diesen Begriff fassen sie dabei durchaus weit und machen auch nicht vor rüden Scherzen halt. Ein

monströser Penis wird da vor der Höhle angedeutet, wenn ein Grizzly Gunn beim Urinieren stört. Weit weniger dezent der Hinweis auf Dionysos als „god for wine and f...ertilisation“ und der pantomimischen Improvisation „of a long red leather penis“, offenbar einer häufigen Requisite bei griechischen Komödienschauspielern.

Solch phallische Überheblichkeit durchzog das gesamte Programm der beiden Engländer, ohne jedoch gleich eine Ode an den Mann zu bedeuten. Eher genossen es die fools, die männliche Mickrigkeit in ihrer Konsequenz zu karikieren und mit krudem Witz bloßzustellen. „Mit dem Herzen sind wir Schauspieler doch alle Huren“, stellten sie dann auch fest, allerdings nicht ohne sich danach über den grünen Klee zu loben und gleichsam mit dem Beruf des Spielers zu spielen. „Das Leben ist zu ernst, um es ernst zu nehmen“, stellten sie fest, und so zeichneten sie auch die aktuelle Situation mit hämischen Konturen.

Tony Dunham und Richard Blain haben eine Form gefunden, Inhalte zu vermitteln, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln. Grob, ungeschlacht und vielleicht verletzend bisweilen, aber unterhaltsam auf alle Fälle. Geschickt warfen sie sich gegenseitig die Bälle zu, jonglierten damit wie mit ihren Worten. Und schon sind wir beim Thema. „Balls“ hat eben nicht nur eine deutsche Übersetzung.

Jürgen Francke

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