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Archiv-Artikel

BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE Pflegeleicht und macht nicht dick

Auch Sie wollen in letzter Minute noch eine Kleinigkeit … Stopp! Halten Sie sich an Tante Zillys Geschenkeregeln

Es war gestern so ein Tag, ich stand im Kaufhaus Dussmann und hatte in meinem Einkaufskorb zwei schwere Biografien, ein Ratgeberbuch, einen unlängst im Taschenbuch erschienenen Bestseller-Krimi, eine DVD-„Best of“-Sammlung und zwei Musik-CDs aus den aktuellen Top-100-Charts. Gerade erwog ich, vielleicht auch noch das neueste Kochbuch von Jamie Olivier als Weihnachtsgeschenk für meine Lieben mitzunehmen.

Doch dann fielen mir Zillys Geschenkeregeln wieder ein.

Großtante Zilly hatte eigentlich immer Recht gehabt mit ihren Ratschlägen. „Denke mal an die vielen unsinnigen Geschenke, die du schon gegeben oder bekommen hast“, pflegte Zilly zu sagen. Und tatsächlich, auch ich verfüge inzwischen über eine recht ansehnliche Geschenkebiografie. Mein missglücktestes Geschenk war der Wachsregenmantel für Freundin Britt, den ich auf einer Outdoor-Messe erwarb. Als Britt das gute Stück auspackte, stellte sie fest, dass es sich um einen Reitmantel handelte, der vom Schritt an abwärts gar nicht zu schließen ist. Das Problem: Britt reitet nicht. Die Aussteller der Messe waren längst weitergezogen. Wenn Sie also einen vorne offenen Regenmantel benötigen, keinmal getragen, bitte melden.

Ungern erinnere ich mich auch an mein tragischstes Geschenk: Damals war ich 13 Jahre alt und hatte über die Schule eine Brieffreundin aus Dessau in der DDR bekommen, mit der ich nun West-Ost-Verständigung üben sollte. Als Cornelias Geburtstag nahte, schlug meine Mutter vor, ihr doch ein Paar Feinstrumpfhosen und eine Packung Kaffee zu schicken („Die drüben haben so was nicht“). Doch mir war das unangenehm, ich wollte Cornelia nicht kränken mit so was Intimem wie Feinstrumpfhosen. Und Kaffee schicken? Damit unterstellte ich doch, sie sei ganz arm, auch das war mir peinlich. Stattdessen sandte ich Cornelia ein wunderschönes, handbemaltes Portemonnaie aus Leder in die DDR. Cornelia meldete sich nie wieder.

„Geschenke“, pflegte Zilly zu sagen, „dürfen nicht dick machen, sie dürfen keine Arbeit verursachen, nicht zu speziell sein und man muss sie im Zweifelsfall unauffällig verschwinden lassen können, ohne die Gebende zu kränken.“

Nichts von alledem, so denke ich jetzt bei meinem Blick in den Dussmann-Einkaufskorb, trifft auf diese Präsente zu. Ist es nicht unangenehm, dicke Wälzer geschenkt zu bekommen, wenn der Gebende dann später fragt: „Na, schon gelesen? Gefällt’s dir?“ Und dann die Sache mit den Musik-CDs. Könnte doch gut sein, dass Britt nun die neueste CD von Xavier Naidoo als widerliche Sülze empfindet.

Stück für Stück fange ich an, meinen Dussmann-Einkaufskorb wieder zu leeren, die Bücher und CDs wieder ordentlich zurückstellen. Am wirksamsten war immer noch Großtante Zillys letzte Geschenkeregel, fällt mir ein: „Ich mach es mir selber nett.“ Unter diesem Motto pflegte sich Zilly selbst ihre geliebten Platten mit alten Schlagern zu kaufen, ließ sie im Laden in Geschenkpapier einwickeln und legte sie dann auf ihren Geburtstagstisch, der solcherart immer gut gefüllt war.

Ich streiche noch ein bisschen durch Dussmann. Hätte ich selbst nicht gerne diese Neueinspielung alter Motown-Songs? Und diese CD mit der kitschig-schönen Filmmusik aus „Sieben Jahre in Tibet“? Und dann die original englische Ausgabe von „Pride and Prejudice“, um mal wieder ein bisschen gutes altes Englisch zu lesen? Mit einer ganz neuen Sammlung gehe ich durch die Kasse. Und spreche anschließend am Tresen des kostenlosen Geschenkverpackungs-Service vor. „Bitte das rote und blaue Papier“, sage ich zu der freundlichen Dame, „und das silberne Band für die Schleifen.“ Das wird ein toller Geschenkeberg unterm Weihnachtsbaum. Für mich allein. Und Christoph ist sicher erleichtert, dass er nicht morgen auch noch durch Dussmann schleichen muss. Dank sei Tante Zilly und ihren weihnachtsgoldenen Geschenkeregeln.

Fotohinweis: BARBARA DRIBBUSCH GERÜCHTE Fragen an Tante Zilly? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt KLATSCH