Pflegeexperte über Arbeitsamt-Vorschlag: "Hauptsache Geduld und Geschick"
Thomas Birk vom Verein für selbstbestimmtes Wohnen im Alter begrüßt den Vorschlag von Gesundheitsministerium und Arbeitsagentur, Arbeitslose als Pflegeassistenten einzusetzen.

taz: Herr Birk, ist jeder geeignet, mit Demenzkranken Halma zu spielen?
Thomas Birk: Wer mit demenzkranken Menschen Brettspiele spielt, muss wissen, dass sich keine Regeln durchsetzen lassen. Wer beruflich mit Demenzkranken zu tun hat, sollte am besten eine entsprechende Zusatzausbildung absolvieren.
Was lernt man da?
Vermittelt wird ein Grundverständnis. Zunächst: welche Arten von Demenz es gibt. Je nach Erkrankung haben die Betroffen noch ganz unterschiedliche Fähigkeiten. Das Wichtigste ist jedoch, dass man sich in die Lebenswelten von Dementen hineinversetzen lernt und etwa nicht versucht, ihnen zu widersprechen.
Sondern?
Wenn ein älterer Herr darauf besteht, dass sein Vater heute zu Besuch kommt, kann man nicht antworten: Der ist doch schon tot und kommt nicht mehr. Man sollte vielmehr darauf eingehen und fragen, was würdest du tun, wenn dein Vater käme? Es geht bei diesem Beispiel nur darum, die Sehnsucht nach dem Vater zu stillen. Da sind Geduld und taktisches Geschick vonnöten.
Ist es sinnvoll, dafür Langzeitarbeitslose mit einer Kurzausbildung einzusetzen?
Ich finde die Idee prinzipiell gut. Es geht ja vor allem um zusätzliche Betreuung und nicht um Ersatz von Pflege. Da kommt es vor allem auf Herzenswärme und die richtige Einstellung an. Allerdings ist es wichtig, den Leuten eine examinierte Pflegefachkraft zur Seite zu stellen.
Ist das realistisch? Die Träger werden die Pflegeassistenten doch vor allem einsetzen, um Geld zu sparen?
Natürlich muss sichergestellt werden, dass die Leute nicht ausgenutzt werden. Da muss es Kontrollen geben. Es kommt auch jetzt häufig vor, dass angelernte Leute gerade während der Nachtwache auf sich allein gestellt sind. Das darf nicht passieren.
Besteht nicht dennoch die Gefahr, dass fachliche Arbeitsplätze verdrängt werden.
Solange das Verhältnis von angelernten und examinierten Kräften stimmt, sehe ich diese Gefahr nicht. Pflege ist ein Wachstumsmarkt, wir werden in absehbarer Zeit einen ernsten Mangel an Arbeitskräften haben.
INTERVIEW: ANNA LEHMANN
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links