Pflegedienste in Deutschland: Abzocke bei Kranken und Alten
Rund 230 ambulante Pflegedienste stehen unter Verdacht. Sie sollen bundesweit ein System für Abrechnungsbetrug aufgebaut haben.

Nicht nur alt, sondern auch vernachlässigt (Archivbild 2014) Foto: dpa
BERLIN afp/dpa | Rund 230 eurasisch-russische ambulante Pflegedienste stehen Medienberichten zufolge im Verdacht, teils bundesweit ein System für Abrechnungsbetrug aufgebaut zu haben. Dabei seien im Zusammenspiel mit Patienten und Ärzten nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden, berichten der Bayerische Rundfunk und die Zeitung Die Welt am Dienstag unter Berufung auf den Abschlussbericht einer Sonderermittlungsgruppe von Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.
Laut dem internen Bericht wurde das Netzwerk überwiegend von Berlin aus gesteuert und hat die Pflegekassen um hohe Summen betrogen. Regionale Schwerpunkte der Pflegemafia seien Nordrhein-Westfalen und Berlin, außerdem Niedersachsen, Brandenburg und Bayern. Gut zwei Drittel der Einzelunternehmen seien über Netzwerke bundesweit miteinander verbunden.
Aus dem Bericht „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen durch russische Pflegedienste“ gehe zudem hervor: Viele der beschuldigten ambulanten Pflegedienste und ihre Betreiber sollen auch in diverse andere kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen sein, darunter Geldwäsche, Schutzgeldzahlungen und Glücksspiel.
Unter den ehemaligen Firmenbetreibern sollen sich auch Personen befinden, die von den Behörden als Auftragsmörder verdächtigt werden.
Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege kostet die Krankenkassen und Kommunen viel Geld. Einige Kassen hatten bereits im Mai von einem hohen Anteil von Verdachtsfällen gegen „russische Pflegedienste“ berichtet – solche Pflegedienste, deren Leitungskräfte aus Staaten der früheren Sowjetunion stammen. Bei den aktuellen Ermittlungen sollen Verdächtige aus der Ukraine stammen.
Leser*innenkommentare
Stefan Mustermann
Die Dimensionen können viel größer sein. Man sollte auch nach Falschabrechnungen bei Krankenversicherung (Krankenhäuser und krankenhausähnliche Einrichtungen) suchen. Irgendwie steigen die Ausgaben von Krankenversicherungen jährlich ziemlich schnell und es gibt Auffälligkeiten (Stationärer Aufenthalt, Arztbehandlung, Verwaltungskosten). Passende Erklärungen dafür kann man immer finden.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73331/umfrage/einschaetzung-der-einnahmen-und-ausgaben-der-gkv/
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI25.pdf
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI30.pdf
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVI20.pdf
Ein Beispiel aus der Presse, wie ein Betrug funktioniert, der zu Lasten aller Krankenversicherungsbeitragszahler fällt. Der Chef der größten gesetzlichen Krankenversicherung gab ja öffentlich zu: Kassen und Ärzte machen Patienten auf dem Papier kränker, als sie sind... Welche Folgen hat so etwas?
Das bringt höhere Kosten des Gesundheitssystems Deutschlands, die betreffenden Krankenkassen bekommen mehr Geld aus den Gesundheitsfonds und die betreffenden Ärzte (wenn Privatpraxis) machen mehr Einnahmen. Letzten Endes können Krankenversicherungsbeiträge für Beitragszahler erhöht werden. Jemand muss ja für die höheren Kosten des Gesundheitssystems aufkommen.
Stefan Mustermann
Woher hatte die ausländische Mafia Informationen, um diese Schema, die der Gesamtbevölkerung schadet, aufzubauen? Und welsche Verbindungen in der Branche haben die? Bestimmt gibt es weitere unberechtigte oder falsche Abrechnungen im Inland.
Panama Papers und diese Abrechnungen sind nur der Anfang. Behörden sollten rein theoretisch Schemen zusammenstellen, wie Steuerhinterziehungen oder Falschabrechnungen usw. möglich sind. Dann ist es leichter, nach Verbrechen zu suchen.
Energiefuchs
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