wortwechsel
: Pferde und Medaillen: „Ruhig, Brauner!“

Ist Dressurreiten Tierquälerei? Nach dem deutschen Olympiasieg im Dressurviereck erschien ein Meinungsbeitrag in der taz, den viele Pfer­de­lieb­ha­be­r:in­nen kommentierten

Vorführfreude? Unnatürlicher Drill? Harte Arbeit? Hier tänzelt bei den Olympischen Spielen: Calle 44 (mit Trense) für den Vielseitigkeitsreiter Yoshiaki Oiwa Foto: F.: Alkis Konstantinidis/reuters

„Pferdedressur ist Tierquälerei: Die pure Unterwerfung. Dressurreiten darf nicht länger olympisch sein. Die Pferde werden zu Figuren gezwungen, die nichts mit ihren natürlichen Bewegungen gemein haben“, taz vom 30. 7. 21

Es liegt an den Reitern

Negativ ist tatsächlich, dass sich die heutige Art der Reiterei auf die Lebensdauer und Qualität der Pferde auswirkt und das Lebensalter der Pferde stark verkürzt ist. Natürlich gibt es Ausnahmen. Was allerdings gar nicht stimmt, ist, dass die Pferde zu den Bewegungen gezwungen werden. Sieht man einen Hengst im freien Lauf, sieht man tatsächlich all diese Bewegungsabläufe und sogar die Schulsprünge, wie sie in den Hofreitschulen gezeigt werden. Ein durchlässiges Pferd bietet diese Bewegungen freiwillig an, wobei gerade die von Ihnen angeprangerte Piaffe die häufigste Bewegung ist, die man vor allem bei Hengsten in der Natur sehen kann. Und hätten Sie Pferde in der Natur miteinander spielen sehen, dann wüssten Sie, dass die Seitwärtsbewegungen im Galopp genauso oft zu sehen sind, auch beim Fluchtverhalten – zum Ausweichmanöver sind sie unerlässlich. Ja, man sieht viele unschöne Bilder in der heutigen Reiterei, aber das liegt an den Reitern und nicht an den Pferden. Viola Abri, Gersheim

Der anvertraute Partner

Das Auf-die-Brust-ziehen-des-Kopfes ist verboten. Es nennt sich Rollkur und wird in der Reiterszene geächtet. Es führt beim Praktizieren zur Disqualifikation. Die in der Dressur gezeigten Lektionen basieren auf den natürlichen Bewegungen eines Pferdes. Da ist nichts erfunden, dressiert oder erzwungen. Reiten ist nicht natürlich – das stimmt. Reiten hegt eine mehrere tausendjährige Tradition und jeder einzelne Reiter und Pferdebesitzer ist dafür zuständig, dass es seinem anvertrauten Partner gut geht. Aber alle Reiter unter Generalverdacht zu stellen, ist schlichtweg falsch. Annemarie Schmidt-Hurtienne, Göttingen

Blatt der Unwissenden

Ich will mir nicht anmaßen zu beurteilen, dass die drei deutschen Dressurreiterinnen ihre Pferde durch die Dressur quälen. Ganz im Gegenteil, ich glaube eher, diese drei Pferde werden vermutlich super gehalten, denn sie haben einen hohen materiellen Wert. Diese Polarisierung der Dressureiter/innen schadet nur und reißt Gräben auf. Wenn man provozieren will, sollte man es in den Fachmedien der Reiter/innen tun und nicht in einem Blatt, das vermutlich Unwissende lesen.

Christine Tunnat, Stolpe

Positive Motivation

Die angeführte Begründung – Pferde würden die in der Dressur gezeigten Lektionen in der freien Natur nicht zeigen – ist falsch! Die Kunst des Ausbilders/Reiters besteht darin, die natürlichen Veranlagungen eines Pferdes zu erkennen und zu fördern. Durch positive Motivation ist es dann möglich, solche Lektionen abzufragen, wobei sich beim Pferd (als „Rückkopplung“) ein Gefühl von Spiel oder Imponieren einstellt. Anne Klepzig, Lünen

Und taz.de schreibt …

Hat die Autorin sich schon mal überlegt, welche Möglichkeiten ein Pferd hätte, sich dem ihrer Ansicht nach schlimmen und schmerzhaften Druck zu entziehen? Es könnte sich einfach hinlegen und sich wälzen. Ein ganz natürliches Verhalten, und das Pferd wäre den Reiter los. Das Pferd könnte mit seinen Hinterbeinen auch den Reiter attackieren oder durch Beißen dem Reiter signalisieren, dass es nicht geritten werden will. Es gibt wahrlich Pferde, die das machen. Diese Pferde haben aber schlimme Erfahrungen mit Menschen gemacht. Was Jessica von Bredow-Werndl in Tokio zelebriert hat, war ein super über Jahre gut aufgebautes und trainiertes Pferd. Die Muskeln werden täglich gedehnt und gestärkt – so wie bei jedem Sportler. Simone Mainka

Ich habe einige Bekannte, die sich hobbymäßig sehr intensiv mit Pferden beschäftigen und ich weiß, dass diese Leute ihre Tiere wirklich lieben, manchmal sogar mehr als Menschen. Sie könnten ihren Tieren nie etwas zu Leide tun, da sind echte Gefühle im Spiel. Ich habe von diesen Leuten noch nie etwas negatives über das Dressurreiten gehört, was mich wundert, denn wäre es wirklich Tierquälerei, wären sie bestimmt sehr empört.

Paul Rabe

@Paul Rabe Leider gibt es auch im Pferdesport so etwas wie eine allgemeine Glaubensrichtung. Das sage ich Ihnen als Besitzer von zwei Pferden. Ich will nicht abstreiten, dass Pferdemenschen ihre Tiere abgöttisch lieben (das tue ich auch). Allerdings sollte man für sich reflektieren, ob das, was traditionell vermittelt wird, noch mit aktuellen Tierschutzrichtlinien vereinbar ist. Ich bin für mich zu dem Schluss gekommen: Nein. Dazu ein paar Stichworte: Sperrriemen, Sporen, Gebiss, Boxenhaltung. Für alles Genannten haben Reiter ihre Argumente für und dagegen. Basierend auf weitergegebenem Wissen von vor x Generationen. Dass davon vieles im Militär seinen Ursprung (und vermutlich auch seinen Nutzen) hatte, wissen gar nicht so viele Stall-Angehörige. Die Autorin gibt hier eine subjektive Meinung von „außerhalb“wieder, allerdings gelangt sie zu der richtigen Erkenntnis. Onkel Donald

Keine Tierquälerei

Ohne Freizeit- oder Turnierreiter wären die Pferde bald ausgestorben. Und bei der Siegerin und ihrem Pferd ist von Tierquälerei oder von der Nase an der Brust nichts zu sehen. So ein Blödsinn. Kümmert euch lieber um Tiertransporte, das ist Tierquälerei. Angela Barthel

Bravo, Dalera!

Auch wenn ich den Pferdesport, wie er betrieben wird, durchaus kritisch sehe, ist gerade der neue Stern (Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera) am deutschen Dressurhimmel durchaus positiv zu bewerten. Schon lange sah man nicht mehr diese Leichtigkeit und wenig erzwungene Haltung. Sabrina Neugebauer, Hamburg