Pfahlsitzer: Champion steigt ab
■ Endlich wieder im Liegen schlafen
Soltau – „Ich weiß gar nicht mehr, ob ich noch richtig im Liegen schlafen kann“, scherzt Peter Goldmann auf seinem 2,50 Meter hohen Pfahl im Heide-Park Soltau (Kreis Soltau-Fallingbostel). Er wird es bald merken. Denn nach 167 Tagen will der 33-jährige Wachmann aus München an diesem Sonntag um 12.00 Uhr seinen hölzernen Thron verlassen: als neuer Weltmeister mit einem neuen Weltrekord im Pfahlsitzen, versteht sich.
Keiner hatte sich vorstellen können, dass jemand über fünf Monate Stunde um Stunde, Tag für Tag bei Sturm, Regen und ersten Minusgraden nur unter einem Schirm auf kahlem Holz und ohne Lehne durchhält. Erst recht nicht der Veranstalter der 4. Weltmeisterschaft im Pfahlsitzen. Er hatte nach der Ankündigung des Sportlers, möglicherweise bis Weihnachten sitzen zu bleiben, bereits eine Sonderbetreuung organisiert, weil der Park am Sonntag seine Pforten schließt.
Konnte die zweimalige Weltmeisterin Regina Odeh aus Hessen im vergangenen Jahr noch mit 108 Tagen den Titel davon tragen, bewies in diesem Jahr schon der Vizeweltmeister erheblich gesteigertes Sitzfleisch: Ihr langjähriger Konkurrent, der Ostfriese Hermann Kümmerlehn, saß unverdrossen sogar 150 Tage lang den alten Rekord der Weltmeisterin aus und gab erst auf, als Goldmann sich einen nicht mehr einzuholenden Vorsprung ersessen hatte. „Irgendwie eine tragische Figur“, sagt der Münchner über seinen Konkurrenten.
Er weiß, wofür er das sture Marathon-Hocken auf sich genommen hat. Mit der Siegerprämie von 33.000 Mark will der passionierte Radrennsportler sich einen Traum verwirklichen: einmal am längsten Radrennen der Welt teilnehmen. Das restliche Geld für das vierköpfige Team, das ihn auf der Tour quer durch die USA begleiten müsse, hofft sich Goldmann von Sponsoren besorgen zu können. Immerhin hat er schon auf den Strecken Trondheim-Oslo-Paris-Brest gut abgeschnitten.
Zum Abstieg am Sonntag werden alle kommen: Odeh, Kümmerlehn und so mancher, der am 22. Mai tapfer mit auf die zehn Pfähle im Heide-Park gestiegen war. Schon bei der Siegesfeier sind dem Weltmeister Revanche-Drohungen für das nächste Jahr sicher. Der inzwischen bärtige Goldmann kündigt aber jetzt schon an: „So lange sitze ich nicht noch mal, und wer weiß, ob ich nicht nächstes Jahr irgendetwas anderes Verrücktes mache.“
Karin Ridegh/dpa
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