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Petition der WocheLäuft so gar nicht im Jahr 2020

Reihenweise fallen dieses Jahr Straßenläufe aus, Laufveranstalter wissen nicht weiter. Eine Petition fordert einen Finanz-Hilfsfonds für Organisatoren.

Dieses Jahr ist eher angesagt, alleine zu laufen. Mann auf dem Weg zum Marathonstart in Berlin, 2007 Foto: dpa

Sie werden fehlen auf den Straßen Berlins: die Läuferinnen und Läufer, die sich mit schmerzverzerrten Gesichtern (oder auch gequält lächelnd) durch die Hauptstadt bewegen; die Helferinnen und Helfer, die vom Streckenrand Bananen, Schwämme und Energydrinks reichen; die Sambagruppen, Bands und Fans. Die Schilder mit Aufschriften von „Quäl dich Du Sau“ bis „Mama, Du bist super“.

Diesen Sonntag wäre der Berlin-Marathon gewesen. Der größte deutsche Marathon (2019 waren 46.983 TeilnehmerInnen angemeldet) wird coronabedingt erstmals ausfallen – wie so viele Straßenläufe. Damit fehlen den Städten gemeinstiftende und niedrigschwellige Happenings – an sich schon schlimm genug. Übler aber ist, dass viele Laufveranstalter überhaupt nicht wissen, wie es weitergeht.

Die Petition „#SaveTheEvents – Rettet unsere Läufe“, mit initiiert vom Laufveranstalter-Interessenverband German Road Races (GRR), fordert nun mehr staatliche Hilfen für Laufveranstalter und Konzepte für pandemiegerechte Straßenläufe. Die „Einrichtung eines Finanz-Hilfsfonds für viele Veranstalter“ sei dazu notwendig. Zudem müsse die Politik besser mit den Veranstaltern kooperieren und sie im Hinblick auf Hygiene- und Sicherheitskonzepte unterstützen, so die Initiatoren. Bislang sei dies kaum der Fall gewesen. Im Juli gelauncht, haben bislang erst knapp 6.200 Leute den Aufruf unterzeichnet – bei mehr als 5 Mil­lio­nen Menschen in Deutschland, die regelmäßig laufen gehen.

Wie hart die Organisatoren die Krise trifft, zeigt das Beispiel Berlin. Der Ausrichter des Marathons, SCC Events, veranstaltet eigentlich 17 Rennen im Jahr, darunter einen Frauenlauf, eine Teamstaffel und die City Nacht. 2020 fand bislang nur ein Lauf statt, 11 fielen Corona zum Opfer. Der Berliner Großveranstalter beschäftigt 70 MitarbeiterInnen, viele sind in Kurzarbeit. Auf ein Comeback hofft SCC im Dezember – dann soll ein pandemiegerechter Silvesterlauf stattfinden. Planungssicherheit für Läufe mit höheren Teilnehmerzahlen – etwa den geplanten Halbmarathon im April 2021 mit rund 35.000 LäuferInnen – gibt es aber nicht.

LäuferInnen bangen um ihre Existenzen

Andere Veranstalter träfe es härter, sagte SCC-Chef Jürgen Lock kürzlich der Süddeutschen Zeitung: Er spricht von Kollegen, die 20 Prozent ihrer Belegschaft hätten entlassen müssen. Und ambitionierte LäuferInnen bangen aufgrund fehlender Einnahmen um ihre Sportlerexistenzen.

Läuft mal so gar nicht im Jahr 2020, könnte man meinen. Die bittere Ironie dabei ist, dass gerade der Laufsport vielen Menschen hierzulande durch die Coronazeit geholfen hat. So waren LäuferInnen während des Lockdowns aktiver als zuvor, wie Studien zeigen. Dass es nun ausgerechnet für Straßenläufe an der frischen Luft keine coronakompatiblen Lösungen geben soll, wo etwa FußballerInnen längst wieder auf ihren Plätzen sind, erscheint fragwürdig.

Übrigens: Für diejenigen, die unter Berlin-Marathon-Phantomschmerzen leiden, gibt es Ersatz: Bei der #20139 Challenge, die jeder individuell am Wochenende für sich laufen kann, geht es darum, in einer Zeit von 2:01:39 Stunden (der Weltrekordzeit von Eliud Kipchoge) so viele Kilometer wie möglich abzureißen. Per App kann man teilnehmen. Läuft also doch. Zumindest ein bisschen.

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