Peter Nowak über eine zweifelhafte Aktion zu 30 Jahren Mauerfall: Eine ziemlich gestrige Veranstaltung
TouristInnen, die ihre Handykameras zücken und wild drauflos fotografieren, sind kein ungewöhnlicher Anblick am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie in Mitte. Doch am Montagvormittag gibt es mehr zu sehen als sonst: Direkt auf dem alten Grenzstreifen liegt ein Mann mit einer Deutschlandfahne: Carl-Wolfgang Holzapfel, der sich selbst als Aktionskünstler sieht, und seine Aktion will er als Re-enactment verstanden wissen. Denn exakt vor 30 Jahren, als die Mauer also noch nicht offen war, aber der Druck auf das DDR-Regime zunahm, hat Holzapfel an derselben Stelle gelegen und im damals noch geteilten Berlin glatt für weltpolitische Verwicklungen gesorgt.
Drei Stunden dauerte es damals, bis sich die Verantwortlichen geeinigt hatten und Holzapfel schließlich von der Westberliner Polizei abgeführt wurde. Schon vorher hatte sich Holzapfel in Westberlin eine Art Märtyrerstatus erworben: 1965 betrat er bei einer Einmanndemonstration am Checkpoint Charlie das Gebiet Ostberlins und wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seinem Freikauf durch die Bundesregierung war sein Name bekannt.
Rechter Aktivist
Mit seiner Aktion „Lebende Brücke“ wollte Holzapfel laut eigener Aussage nicht nur für mehr „Zusammenhalt“ in Deutschland demonstrieren. Er kündigte auch an, seine langjährigen politischen Aktionen zu beenden. Manche werden es mit Erleichterung vernommen haben. Holzapfel war selbst in den Reihen der damaligen Westberliner KämpferInnen gegen die DDR zunehmend in die Kritik geraten. Denn Holzapfel glitt in den Rechtsextremismus ab, war auch Mitglied bei den „Republikanern“.
Später sprach er zwar von einem Irrtum und erklärte, er habe die Partei wegen rassistischer Sprüche des ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Schönhuber verlassen. Eine absurde Begründung – und tatsächlich darf man seine Zweifel haben, ob die Lossagung damals ernst gemeint war: Der rechtspopulistischen Bewegung „Pro-Deutschland“ ist Holzapfel jedenfalls zugetan, er bescheinigte ihr politische Seriosität. Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus schmiss Holzapfel denn auch wegen seiner rechten Gesinnung raus.
Tatsächlich sah man am Montag Holzapfel-UnterstützerInnen, die gut sichtbar die rechte Postille Preußische Allgemeine Zeitung in der Jackentasche hatten – und ihr Idol als einen Mann lobten, der dazu beigetragen habe, die Mauer zu Fall zu bringen.
Die PassantInnen, die meisten augenscheinlich TouristInnen und ahnungslos, dass sie hier einer rechten Veranstaltung beiwohnten, riefen „Great!“ und schossen ihre Fotos.
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