Pestizidfreies Obst und Gemüse: Essen wie Gott in England
In Großbritannien kommt bessere Ware auf den Tisch - nicht dank staatlicher Kontrollen, sondern der Sensibilität von Handel und Verbrauchern.
DUBLIN taz Organisch produzierte Lebensmittel liegen in Großbritannien im Trend. Längst sind sie in den Supermärkten nicht mehr auf ein paar Regale in der Ecke verbannt, wo sie nur von Latzhosenträgern aufgespürt werden. Ein Unternehmen, das diese Entwicklung besonders vorangetrieben hat, ist die renommierte Kaufhauskette Marks & Spencer. Produkte, die gehärtete Fette enthalten, sind bei Marks & Spencer verboten; bald soll es auch keine Farbstoffe oder Geschmacksverstärker mehr geben.
Im vorigen Jahr startete das Unternehmen eine Kampagne namens "Fork to Field". Dabei ging es um die Arbeitsbedingungen der Landarbeiter, um Lebensmittelsicherheit, aber vor allem um Pestizide. Marks & Spencer haben bisher 79 Pestizide auf die schwarze Liste gesetzt und ihren Obst- und Gemüseproduzenten untersagt, diese zu benutzen. Zuletzt wurde Schwefelsäure auf die Liste gesetzt. Experten des Unternehmens beraten ihre Produzenten in aller Welt darüber, wie man Pestizide vermeiden kann.
Der technische Direktor David Gregory sagt: "Wir testen unsere Lebensmittel ständig und verbieten bestimmte Pestizide, lange bevor sie offiziell verboten werden." Über die Ergebnisse kann man sich telefonisch oder im Internet informieren, ebenso darüber, bei welchem Obst und Gemüse Rückstände von Pestiziden vorhanden sind. Langfristig will man alle Lebensmittel frei von Pestiziden bekommen.
Von der britischen Regierung und der EU verlangen Marks & Spencer, die Bauern dazu zu verpflichten, über den Einsatz von Pestiziden Buch zu führen und dies öffentlich zugänglich zu machen. Für die eigenen Produzenten ist dies bereits vorgeschrieben. Zudem verlangt das Unternehmen, dass Bauern dazu gezwungen werden, ihre Nachbarschaft zu informieren, wann und was sie versprühen.
Bei drei Prozent der getesteten Lebensmittel stellte das Pesticides Safety Directorate im zweiten Quartal 2007 eine Überschreitung der zulässigen Höchstwerte fest. Allerdings wurden nur 1.053 Proben genommen. Vor einigen Jahren kritisierte die Europäische Kommission Großbritannien sogar für die geringe Zahl von Kontrollen. Kein europäisches Land teste weniger Lebensmittel, nämlich nur drei pro 100.000 Einwohner. Wenn in Großbritannien dennoch bessere Ware auf den Tisch kommt, liegt das also weniger an staatlichen Kontrollen und Regelungen, sondern am Handel und an den Verbrauchern.
Die Umweltschutzorganisation "Friends of the Earth" lobt daher auch Marks & Spencer. Und diese Firmenpolitik rechnet sich: Im vorigen Jahr wurden auf diesem Markt zwei Milliarden Pfund umgesetzt - 62 Prozent mehr als noch vor vier Jahren. Laut Umfragen sind ein Drittel der Verbraucher dazu bereit, für fair gehandelte und ökologische Ware mehr zu zahlen.
Dies bestätigt eine in dieser Woche vorgestellte Untersuchung der Lebensmittelkette Co-op. Diese hatte 100.000 Menschen befragt und veröffentlichte mit den Umfrageergebnissen die Konsequenzen, die das Unternehmen daraus zu ziehen gedenkt: Ab sofort werden keine Eier von Batteriehennen angeboten, sämtlicher Tee werde künftig aus fairem Handel stammen, und die Weinflaschen der eigenen Marken bekommen eine neue Form, um 450 Millionen Tonnen Glas im Jahr zu sparen. Zugleich wurde die Zahl der bei Co-op verbotenen Pestizide von 32 auf 98 erhöht.
Wenn Verbraucher- und Umweltschützer die Handelskonzerne kritisieren, dann weil diese einen großen Teil ihrer Lebensmittel importieren oder sie aufwändig verpacken. Und selbst das sauberste Gemüse ist natürlich nicht davor sicher, in Pfefferminzsoße ertränkt zu werden.
RALF SOTSCHECK
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