: Perücken vor Platte
Das Hexenkessel Hoftheater geht in seine 13. Saison: Mit Shakespeare auf der Spree und Goldoni im Monbijoupark spielt sich die Open-air-Truppe zweimal täglich in Amüsierlaune – exaltiert, clownesk und nach Knallbonbon-Art
Ein Lachen oder einen Seufzer in den Großstadtalltag mitnehmen – so wünschen sich das die Macher des Hexenkessel Hoftheaters für ihr Publikum. Dafür spielen, krakeelen und verausgaben sich die Mitglieder der Truppe, seitdem sie vor 13 Jahren als Hinterhoftheater eines besetzten Hauses angefangen haben. Auch in diesem Sommer zeigen sie mit Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“ und Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ Klassiker des komödiantischen Spiels: auf ihrer Freiluftbühne im Monbijoupark und – das ist neu – auf dem Theaterschiff Marie, das vorm Bode-Museum in der Spree ankert.
Das sechsköpfige Ensemble beginnt täglich um halb acht mit dem Shakespeare, um anschließend um halb zehn in den Goldoni zu stürzen. Will man dieses Marathon auch als Zuschauerin überstehen, braucht es ein gerüttelt Maß an WM-Amüsierlaune. Beim Shakespeare lebt durch den Spielort sogar der Geist des elisabethanischen Volkstheaters ein bisschen auf: Schaulustige sammeln sich an der Uferbrüstung, Radfahrer gucken von der Fußgängerbrücke ein Weilchen zu.
1999 machte Gil Junger mit „10 Dinge die ich an dir hasse“ ein Hollywood-Teenager-Märchen aus „Der Widerspenstigen Zähmung“ – auf dem Theater wurde das Stück letzthin meist als beklemmendes Emanzipationsdrama inszeniert. Hexenkessel-Regisseur Jan Zimmermann nimmt es nicht so schwer und arbeitet vor allem die unverfänglich-lustigen Momente heraus.
So hat die ältere Schwester, die gezähmt werden und heiraten soll, damit auch die jüngere ihren Geliebten ehelichen darf, hier konstant die Hosen an. Die Versuche, sie an den Mann zu bringen, haben hier nichts mit der brutalen Brechung eines autonomen weiblichen Wesens zu tun. Die Ältere durchschaut das Ränkespiel und veräppelt da capo den gecasteten Trunkenbold Sly, der als Verführer agiert. Ungekünstelt trägt Michael Schager als Sly das Stück, indem er mit wirrem Haar und blitzenden Augen über die Bühne donnert, nicht ohne diese gewisse Kindlichkeit, die allzu männlichen Männern oft eigen ist. Schön sind auch einige Pointen, die Spiellust der Akteure – und Augenblicke wie die Ankunft der Gauklertruppe: Vor der Plattenbau-Kulisse des nördlichen Spreeufers überqueren sie die Brücke zum Schiff in gelockten Perücken, gestärkten Kragen und sorgfältig zerlumpten Wämsern. Die Kostümierung ist in beiden Stücken üppig, farbenfroh und irgendwie wohl auch historisch. Nichts für Freunde der Schlichtheit und passend zum clownesken Spiel der Truppe. Wen die schnellen Rollenwechsel und das exaltiert-knallbonbonartige Spiel der Truppe aus dem Shakespeare nicht amüsieren, der wird sich mit dem Goldoni noch schwerer tun. Denn hier werden diese Dinge auf die Spitze getrieben.
„Der Diener zweier Herren“ ist ein Lustspiel von 1746, das im Monbijoupark mit vielen stereotypen Figuren in die Tradition der Commedia dell’arte verschoben wird. Der Diener Truffaldino spielt, durch Fresslust angetrieben, ein falsches Spiel: Es entspinnt sich eine Verwechslungskomödie mit Happy End – Massenvermählung inklusive. Auch hier werden Rollen und Kostüme in Sekundenschnelle getauscht, allerhand kleine Regieeinfälle verursachen immer wieder schenkelklopfendes Großgelächter. Das passiert zum Beispiel immer dann, wenn die Schauspieler so tun, als würfen sie Dinge in den Fluss, und dazu dann über die Lautsprecher ein lautes Platschen erschallt. Und so löst der Hexenkessel-Abend tatsächlich seinen Anspruch ein: Er gibt zu lachen und zu seufzen.
Shakespeare: Di.–Sa. jew. 19.30 Uhr; Goldoni: Di.–Sa. jew. 21.30 Uhr; weitere Infos: www.hexenkessel-hoftheater.de