Personenführung #84: Konrad Litschko: Der nach den Rechten sieht

Er stellt sich morgens um vier beim NSU-Prozess an, fährt nach Dienstschluss noch quer durchs Land und ist selbst unausgeschlafen hellwach – unser Rechtsextremismusexperte.

Bild: Privat

„Der Kollege von der taz wirkt ausgeschlafen“, meldet die Süddeutsche Zeitung am Morgen des 9. Dezember 2015, dem Tag, als Beate Zschäpe im NSU-Prozess aussagt. Der Kollege, das ist Konrad Litschko, taz-Experte für Innere Sicherheit und Rechtsextremismus.

„Der 31-Jährige ist in Oranienburg, am nördlichen Berliner Stadtrand, aufgewachsen. Dort, wo die Nazis das KZ Sachsenhausen betrieben.“

NSU-Berichterstattung ist harte Arbeit: sechs Stunden mit dem ICE von Berlin nach München – nach Dienstschluss, Ankunft gegen 23 Uhr. Am nächsten Morgen gegen drei oder vier Uhr aufstehen und sich stundenlang vor dem Münchner Oberlandesgericht die Beine in den Bauch stehen. Die taz hat keine Akkreditierung für den Prozess, sie muss auf den Zuschauerbänken Platz nehmen. Wer zu weit hinten in der Warteschlange ist, wartet umsonst. Andere überregionale Zeitungen lassen ihre Volontäre anstehen, Redakteur Litschko wartet selbst.

Der 31-Jährige ist in Oranienburg, am nördlichen Berliner Stadtrand, aufgewachsen. Dort, wo die Nazis das KZ Sachsenhausen betrieben. Die heutige rechtsextreme Szene der Kleinstadt ist im ostdeutschen Vergleich eher klein, aber präsent. Litschko schrieb schon während des Studiums für die Märkische Allgemeine über die Szene, später war er als Redakteur im Berlin-Teil der taz für Außerparlamentarisches zuständig. Als sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Eisenach erschossen und der NSU aufflog, ging er ins NSU-Berichterstatterteam der taz. Im Januar 2013 wechselte er als Redakteur in das Inlandsressort.

Sein Terminplan 2016 ist schon jetzt gefüllt: In Karlsruhe entscheidet das Bundesverfassungsgericht über das NPD-Verbot, in Berlin hat der zweite NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages begonnen, in München geht der NSU-Prozess zu Ende. Und – was bringt Zschäpe ihre späte Aussage? „Nicht viel“, meint Litschko. „Das war zu glatt, zu unschuldig.“ Schon ihre Rolle in der rechtsextremen Szene in Jena vor dem Untertauchen spreche dagegen.

Richter Manfred Götzl, an dem viele vor Prozessbeginn zweifelten, attestiert Litschko eine kluge Prozessführung: „Er hat es geschafft, dass sich Beate Zschäpe überhaupt zu einer Aussage gezwungen sah.“ Schon im Frühjahr könnte das Urteil fallen. Konrad Litschko wird dann wieder in der Schlange stehen. Und dabei ausgeschlafen aussehen, auch wenn er es nicht ist.

MARTIN REEH, Ressortleiter Inland