Personenführung #173: Kurt Wimmer : Kreativer Fensterputzer
Jahrzehntelang arbeitete er als Reinigungskraft für die taz und betätigte sich nachts gerne kreativ. Nun ist seine Kunst gefährdet.
Von LUISA FAUST
Er zeigt zuerst auf den Le-Monde-diplomatique-Leuchtschriftzug an der Decke der taz-Kantine – große schwarze Glasbuchstaben – und fragt: „Wann habt ihr die eigentlich zum letzten Mal geputzt?“. Ebendiese Frage brachte Kurt Wimmer 1986 zur taz.
Das damalige taz-Gebäude in der Wattstraße im Berliner Wedding fiel ihm wegen der verschmutzten Fenster auf. Die taz-Redakteur:innen bräuchten Sonnenlicht, befand er, und bot sich als Fensterputzer an. Aus einem einmaligen Auftrag wurden 28 Jahre taz-Zugehörigkeit.
Tagsüber arbeitet Kurt Wimmer als Fensterputzer, nachts ist er Künstler. Er bemalt die Wände seiner Einzimmerwohnung im Souterrain neben dem KaDeWe oder erschafft Plastiken aus Sperrmüll. Über dieses Werk sagt er: „Ich hatte zunächst nicht den Eindruck, dass das, was ich tue, Kunst sei. Ich musste das tun, um meiner seelischen Verfasstheit Ausdruck zu verleihen.“
Auch an der Fassade des damals neuen taz-Gebäudes in der Kochstraße hinterlässt er Spuren: Kurt Wimmer ist dabei, als Peter Lenk mit einer Hubbühne die auch innerhalb der taz ebenso umstrittene wie leidenschaftlich verteidigte Fassadenkunst „Friede sei mit Dir“ montiert.
Seine Kunst wirkt im Zusammenspiel mit der Umgebung
Nach einem Schlaganfall verlässt er 2014 die taz und Berlin. Er zieht nach Neuhaus, einem 1.000-Einwohner-Ort an der Osteemündung zwischen Stade und Cuxhaven. Dort baut er Installationen unter freiem Himmel.
Seine Kunst wirkt durch das Zusammenspiel mit ihrer Umgebung: Lichtinstallationen werden bewegt vom Wind, Zeichnungen auf Glas leben durch den morgendlichen Tau auf.
Kurt Wimmer wendet sich an seine taz mit einer Geschichte, die ihn besonders ärgert. Es geht um einen Vorgang, den er „Kunstfrevel“ nennt, und um seine Gemeinde, die sich für umstrittene Landerschließung für Neubauflächen entscheidet. Bei unsachgemäßen Baumfällarbeiten werden seine Kunstwerke zerstört.
Neues erschaffen
Er erstattet Anzeige wegen Sachbeschädigung und stößt auf Gleichgültigkeit. „So musste ich erkennen, dass öffentlich zugängliche Kunst rechtlich nicht wirklich geschützt ist.“ Kurt Wimmer will trotzdem weitermachen, rechtliche Mittel bemühen und neu erschaffen. Das, so sagt er, müsse er tun – es geht schließlich nicht nur um seinen „persönlichen Kunsthaufen“.