Personalpolitik der CSU: Mehr Regionalproporz als je zuvor
CSU-Chef Horst Seehofer macht mit seiner Ministerwahl eigentlich nur Bayernpolitik. Nach dem Landtagswahldebakel will er Spannungen in seiner Partei so reduzieren.
MÜNCHEN taz Der Moment, als Horst Seehofer am breitesten grinste, war bezeichnend. "Franken hat jetzt den Bundeswirtschaftsminister", jubelte der CSU-Chef bei der Vorstellung seines neuen Mannes für Berlin, Karl-Theodor zu Guttenberg.
Die Berufung des CSU-Außenpolitikers Karl-Theodor zu Guttenberg sorgt in der Union für Unmut. Der CDU-Finanzpolitiker Otto Bernhardt sagte der Bild, Guttenberg sei bislang als Außenpolitiker aufgetreten. Die Personalie zeige erneut, "dass es um die Wirtschaftskompetenz der Union schlecht bestellt ist". Es fehlten junge Politiker mit wirtschaftspolitischer Ausstrahlung, wie sie beispielsweise der CDU-Politiker Friedrich Merz habe. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Andreas Lämmel sagte: "Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise hätte das Amt von einem ausgewiesenen Wirtschaftsexperten übernommen werden müssen." Guttenberg selbst betonte, dass er in seinem neuen Amt mehr Tatkraft zeigen wolle als sein Vorgänger Michael Glos.
Deutlicher hätte es Seehofer kaum sagen können: Fachkompetenz, Erfahrung und all das, was sonst für öffentliche Ämter qualifiziert, wurde nicht erwähnt. "Er hat einen breiten Horizont", rechtfertigte sich der Parteichef und erntete vor allem in Berlin Unverständnis. Hätte Guttenberg seinen Erstwohnsitz statt im oberfränkischen Kulmbach in Rosenheim oder in Fürstenfeldbruck, wäre jetzt vielleicht ein anderer Wirtschaftsminister.
Denn wo ein Kandidat herstammt, ist in der CSU immer wichtig gewesen. Den erfahrenen Schweineveterinär Marcel Huber machte Seehofer zum Staatssekretär im bayerischen Bildungsministerium. Erfahrung in dem Gebiet hatte der Oberbayer Huber keine. Doch im für Huber maßgeschneiderten Agrarministerium wollte Seehofer lieber einen Niederbayern. Und für Dorothea Bär aus Unterfranken hat Seehofer extra das Parteiamt der stellvertretenden Generalsekretärin geschaffen - um die CSUler im Bezirk des zurückgetretenen Ministers Michael Glos zu befriedigen.
So eine Macht wie heute hatte der Regionalproporz noch nie. Horst Seehofer hat ihn zum Kriterium seiner Personalpolitik gemacht, um die Spannungen in der seit dem Landtagswahldebakel aufgeschreckten Partei zu reduzieren. Er baut auf eine lange Tradition in Bayern. Der Freistaat ist in sich zerstückelter, als es von außen scheint. Altbayern, Schwaben und Franken wurden erst im frühen 19. Jahrhundert zu einem Land. In jeder Ecke Bayerns gibt es unterschiedliche volkstümliche Kulturen. Ein krachlederner oberbayerischer CSU-Fürst kann heute noch bei einem Auftritt in Mittelfranken genauso fremd wirken wie ein Berliner SPD-Funktionär.
Im Norden des Bundeslandes tat sich die CSU deswegen lange schwer. Es gab sogar richtige SPD-Hochburgen. Erst durch die Vergabe von wichtigen Ämtern auch an schwächelnde CSU-Bezirke gelang es der Partei, in ganz Bayern die Konkurrenz zu verdrängen. Das änderte sich dann unter Edmund Stoiber wieder. Im Süden boomte die Hightech-Industrie, und die Gebiete im Norden und Osten fielen zurück. Man fühlte sich dort von der Münchner Regierung vernachlässigt.
Seehofers Personalmanöver sollen die frustrierten Bayern jenseits der Landeshauptstadt besänftigen und den Freistaat vereinen. Ob das funktioniert, ist unklar. "Er ist nicht optimal in der Menschenführung", sagte der unterfränkische CSU-Politiker Eberhard Sinner am Dienstag über Seehofer. Der Frust sitzt tief.
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