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Performance „Out of Order“Wie Paviane im Käfig

Die Frankfurter Performance „Out of Order“ der Künstlergruppe Forced Entertainment im Bockenheimer Depot feiert das Abwegige.

Clowns durchbrechen in der Performance „Out of Order“ von Forced Entertainment die Ordnung Foto: Hugo Glendinning

Immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten, definierte mal irgendwer als Wahnsinn. Könnte Einstein gewesen sein. In jedem Fall lässt sich diese Diagnose locker auf das Leben im Allgemeinen und den Loop im Besonderen übertragen. Vorbildlich vorgeführt haben das die britischen Totalperformer von Forced Entertainment in ihrem zum Theatertreffen 2017 geladenen Rateshow-Wahnsinn „Real Magic“. Immer und immer wieder scheitern dort drei komische Vögel an den immer gleichen Aufgaben. Das Leben als Irrsinn. Zum Totlachen und zum Durchdrehen.

Ähnlich durchgedreht, wenn auch nicht so radikal, präsentiert sich ihre neueste Performance „Out of Order“, produziert vom Schauspiel Frankfurt und dem Künstlerhaus Mousonturm, die jetzt im Bockenheimer Depot ihre Uraufführung erlebte.

Auf der Bühne warten zwei Tische und zehn Stühle auf Mitspieler. Diese latschen in Gestalt von sechs Clowns in Karo-Anzügen und rosa Hemden auf die Bühne, gruppieren sich um die Tische, setzen sich, und schon rastet einer aus, springt auf, jagt seinen Vordermann, geht ihm an die Gurgel. Die anderen tun es ihm nach, bis alle ebenso aufgeregt wie routiniert um die Tische rennen wie Paviane im Käfig. Dann setzen sich alle, bis einer wieder aufspringt.

Aus-der-Reihe-Tanzen als Geste des Widerstands

So geht das lange hin und her, mit kleinen Variationen und Tempoverschiebungen. Dazu ertönt der Schmachtfetzen „Someone’s Gonna Cry“. Unter der Regie ihres künstlerischen Leiters Tim Etchells spielt die Truppe alle Bedeutungsebenen des Titels „Out of Order“ durch, bricht die Ordnung, stört den Betrieb, besingt das Imperfekte, Defekte und Außerordentliche. Eine Feier des Abwegigen, in der die Verletzung der Regel den Takt vorgibt. Herrlich albern in seiner Verweigerungshaltung und berührend in seinem Wiederholungszwang. Das Aus-der-Reihe-Tanzen gerät zur Geste des Widerstands.

Später sitzt der Performer Richard Lowdon hinten herum und zieht einen Luftballon ein paarmal auseinander, ehe er hineinbläst, um das fertige Ding in die Luft zu lassen, wo es furzend verglüht. Die anderen Clowns machen es ihm nach, wobei manch einer sie so achtlos anbläst, wie man eine Zigarette anraucht, während andere Ballons kunstvolle Kurven in den Bühnenhimmel fahren. Tricks aus der Mottenkiste der Unterhaltung, die Forced Entertainment in aller Kunst- und Ernsthaftigkeit vorführen.

Die Kompanie aus Sheffield, gegründet 1984, ist zu Recht berühmt dafür, sich mutig und lustvoll ins künstlerische Experiment zu stürzen. Diesmal treiben die begnadeten Performer Robin Arthur, Nicki Hobday, Jerry Killick, Richard Lowdon, Cathy Naden und Terry O'Connor sich und ihr Publikum in immer neue Erregungs- und Erschöpfungszustände, verbarrikadieren sich zu umwerfenden Pas de deux, ziehen Gesichter wie Notbremsen und reizen ihr Spiel so lange aus, bis der Stillstand droht.

Hier werden keine fertigen Geschichten erzählt, sondern absurde Momente aneinandergereiht. Und das ohne Worte

Das Menschsein auskundschaften

Hier werden keine fertigen Geschichten erzählt, sondern absurde Momente aneinandergereiht, die das Menschsein in all seiner Fehlerhaftigkeit auskundschaften. Ohne Worte. Ursprünglich gab es auch einen Text, der aber kurzfristig gestrichen wurde.

Etwas Unfertiges, Unausgeprobtes umgibt den Abend, was auch an der Arbeitsweise der Gruppe liegen mag, einem stetigen work in progress. „Out of Order“ gebiert dabei immer wieder wunderbare Glanzlichter. Oft sind es bloß einzelne Verrenkungen und Augenblicke, kindische und tierische, die mal abgrundtief traurig, mal sonnig daherkommen.

Am Ende verlassen die Clowns die Bühne, erst zwei, dann drei, bis nur ein trauriger Mensch übrig bleibt, der einen letzten Blick ins Publikum sendet. Erschöpfung auf allen Seiten.

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1 Kommentar

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  • Danke für den Artikel. Eines weiß ich jetzt auch ganz sicher. Das Stück sehe ich mir garantiert nicht an. Es ist schon ermüdend der Beschreibung zuhörenzumüssen. Zum abertausendstenmale versucht irgendein (sorry) Bühenfuzzi, sein "Erkenntnisse" der Welt darzubringen. Und wie galant und wohlwollend der Autor das zu bemänteln sich allergrößte Mühe gibt. Es müssen wohl fürchterliche Stunden der Qual gewesen sein.