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■ Vom Nachttisch geräumtPerfektion

W. Somerset Maugham gehört nicht zu den Autoren des kritischen Kanons. Ein konservativer Unterhaltungsschriftsteller, winken die klugen Literaturkritiker ab. Diesem Gestus der Neunmalklugen sollte man niemals trauen. Statt dessen greife man nach Somerset Maughams kleinen Essays über Fielding, Austen und die anderen Romanciers. Es sind amüsante Causerien nicht nur über die Autoren und ihre Zeit, sondern auch über die Kunst, Romane zu schreiben. Maugham hat – das erleichtert die Lektüre – einen Feind: die Avantgarde. Die politische – das versteht sich von selbst – und die ästhetische. Er wird nicht müde, immer wieder zu betonen: „Der Roman ist kein Mittel zur Belehrung oder Erbauung, sondern eine Quelle intelligenter Unterhaltung.“ Diese kleinen Spitzen machen den Charme seiner Argumentation aus. Maugham schreibt nicht: Politische Agitation und religiöse Propaganda sind dasselbe, sondern er rückt die beiden so nahe aneinander, daß der Leser Maughams maliziöses Lächeln mitmacht. Wer will, mag hier an Adornos Gedanken zur Mimesis denken. „Quelle intelligenter Unterhaltung“ ist natürlich eine hilflose Floskel. Eine kraftlose Coda nach dem gelungenen Bonmot von „Belehrung oder Erbauung“, das sich ja richtete gegen die pathetische Forderung nach die Gesellschaft umstürzenden revolutionär- realistischen Romanen. Maugham schrieb, wie man in bestimmten Salons vielleicht einmal sprach: witzig und scharf, aber nie zu sehr, dabei immer mit einem Schuß Selbstironie und auf keinen Fall perfekt. Perfektion erwartet man vom Personal. Ein Gentleman ist lässig, ja nachlässig. Der perfekte Dandy war kein Mitglied der Gesellschaft, sondern Beau Brummell.

W. Somerset Maugham: „Zehn Romane und ihre Autoren“. Übersetzt von Matthias Fienbork, Diogenes Verlag, 452 S., 45 DM.

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