: Perfekter Pop für die Endzeit
Popmusik kann Leben retten, hieß es früher. Heute kann sie wenigstens Hoffnung spenden, wie im Fall der Neo-New-Wave-Industrialband Cold Cave. Nur klitzekleine Synthiepopmelodien sperren sich bei der Band aus Philadelphia gegen die sture Trostlosigkeit ihrer pluckernden Rhythmusmaschinen. Dass die Trostlosigkeit bewusst in Kauf genommen wird, kann man einem Album, das sich der düsteren Seite der Achtzigerjahre annimmt (wie sie von Throbbing Gristle bis New Order verkörpert wird), aber nicht anlasten.
Ganz im Gegenteil: Die konsequent durchgehaltene Tristesse ist Teil der Ästhetik – in Text und Musik –, die auf dem Cold-Cave-Debütalbum „Love Comes Close“ zutage tritt. Die klare Ausrichtung auf einen Stil lässt die US-Band geradezu unamerikanisch klingen, ist Stilbesessenheit doch sonst eher ein Markenzeichen britischer Bands.
Das Prinzip von Cold Cave ist simpel, aber klar durchdacht: Vier Synthesizer werden in Ebenen übereinandergeschichtet. Ein einfaches Pattern, dazu flächige Akkorde, noch ein mühseliges Zwitschern, ein fast tanzbarer Beat. Manchmal noch ergänzt von einer Gitarre. Es ist das Allermindeste, mit dem Cold Cave eine Düsternis erschaffen, nur die kleinen melodischen Einwürfe geben „Love Comes Close“ ihre stellenweise Popleichtigkeit. Ihnen gelingt damit eine perfekte Imitation der Achtziger, fast eine Überaffirmation der Vorbilder.
Dazu gehört auch der stets leicht verzerrt klingende Gesang von Wesley Eisold und Caralee McElroy, deren computerhafte Stimmen von Alleinsein, Verlust und Vergeblichkeit erzählen. Typisch sind Zeilen wie „Dethroning the dream / Of neon nights in rain“ in „Youth and lust“, ein ständig Richtung Eurodance strebender Track mit wunderbar trashigen Synthietrompeten. Cold Cave beschwören auf „Love Comes Close“ die Romantik der Einsamkeit, tiefe Achtzigerjahre auch das.
Die Zitatfestigkeit dürfte aber neben der klaren Orientierung noch auf eine andere Tatsache zurückzuführen sein. Alle MusikerInnen des Synthesizer-Quartetts haben sich bei anderen Bands mit den Möglichkeiten elektronischer Experimente vertraut gemacht – McElroy bespielsweise wirkte schon bei Xiu Xiu mit.
Herausragend ist auf „Love Comes Close“ der Auftaktsong „Cebe and me“, ein Stück perfekter Endzeitstimmungspop mit betont künstlichem Gesang und einer schwerfällig knarzenden, wie mit letzter Anstrengung produzierten Melodie als dominierendem Moment. Eine Cyborgstimme erzählt vom Ende der Welt: „Concrete crushes / And near death brushes“. Auch „The trees grew emotions and died“, der tanzbarste Track des Albums „Love Comes Close“, hat eine bizarre, jenseitige Anmutung. Ein rhythmischer Synthesizer, eine Gitarre, die sich einmal fast zu einem Solo versteigt, der Gesang wie der Text völlig emotionslos: „You / can’t / breathe / Goodbye /Oh / Oh“. Zum lakonischen Abschied drückt dieses tonlose „Oh / Oh“ weniger Bedauern über ein großes Scheitern aus, als dass es das Scheitern als beiläufiges Missgeschick interpretiert.
Das ist nur konsequent für die Negation von Cold Cave: Wer seine Einsamkeit romantisiert, sich in die Düsterkeit zurückzieht, verliert das Interesse an den anderen. Daran, gute und konsequent durchdachte Musik zu machen, hindert es freilich nicht. Für die Band könnte ihre Perfektion und Konsequenz allerdings zum Problem werden: Wie soll man sich weiterentwickeln, wenn man sein Ideal bereits mit dem Debütalbum gefunden hat? Gerade wenn die Achtziger-Retro-Blase mit KünstlerInnen wie The XX oder La Roux platzt, müssen sich auch Cold Cave neu orientieren. Denn sie können sich nur noch selbst imitieren.
ELIAS KREUZMAIR
■ Cold Cave: „Love Comes Close“ (Matador/Indigo)