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Pendlerpauschale beim CSU-ParteitagKanzlerin meidet Debatte

Den CSU-Parteitag beehrt Angela Merkel nur kurz. Wenn über die Pendlerpauschale geredet wird, ist sie schon auf dem Weg nach Vorpommern.

Die CSU wird die Kanzlerin nicht direkt mit dem Thema Pendlerpauschale brüskieren müssen Bild: dpa

UMFRAGEN

CSU: 48 Prozent

SPD: 21 Prozent

Grüne: 11 Prozent

FDP: 8 Prozent

Die Linke: 4 Prozent

Freie Wähler: 5 Prozent

Sonstige: 3 Prozent

(TNS/Infratest 11. 7. 08)

CSU: 52 Prozent

SPD: 21 Prozen

Grüne: 10 Prozent

FDP: 6 Prozent

Die Linke: 3 Prozent

Freie Wähler: 2 Prozent

Sonstige: 8 Prozent

(Infratest/dimap 9. 1. 08)

Wolfhard Molkentin heißt der Mann, der für die Kanzlerin an diesem Freitag wichtiger ist als die bayerische Schwesterpartei CSU. Achtzehn Jahre lang war Molkentin Landrat, erst im alten Kreis Grimmen, dann im neuen Großkreis Nordvorpommern. Heute schließt der 66-jährige Christdemokrat zum letzten Mal die Bürotür im Landratsamt hinter sich, fährt rund 40 Kilometer ins idyllische Trinwillershagen und feiert ab 17 Uhr in der Gaststätte "Zu den Linden" seinen Abschied, dort, wo er mit Angela Merkel vor zwei Jahren den US-Präsidenten empfing. Da will Merkel nicht fehlen. Schließlich war es Molkentin, der ihr 1990 in einer Kampfabstimmung zur Bundestagskandidatur verhalf und damit den Aufstieg zur Kanzlerin möglich machte.

Ganz pünktlich wird Merkel dorthin nicht kommen. Aber wenn die Reise in den Nordosten noch sinnvoll sein soll, wird sie den Nürnberger CSU-Parteitag gleich nach ihrer für drei Uhr nachmittags angesetzten Rede wieder verlassen müssen. Der Podiumsdiskussion über das Steuerkonzept "Mehr Netto für alle", die das christsoziale Organisationskomitee freundlicherweise gleich nach dem Auftritt der Kanzlerin anberaumt hat, wird sie leider nicht mehr folgen können. Dass Steuergewerkschafter Dieter Ondracek findet, CSU-Chef Erwin Huber habe mit seinem Ruf nach der Pendlerpauschale recht - das wird sie nicht mehr hören. Ebenso wenig, welche Argumente ein Wirtschaftsforscher, eine Unternehmerin und der Verbandsvorsitzende der Steuerzahler gegen Merkels Nein ins Feld führen werden.

So wird es für beide Seiten besser sein, so können sie das Gesicht wahren. Merkel bekommt freundlichen Applaus für ihre Rede - und die CSU kann anschließend ihr Lieblingsthema pflegen, ohne eine anwesende Kanzlerin direkt zu brüskieren.

Der Streit um die Pauschale ist den Unionsparteien entglitten, seit die CSU vor zweieinhalb Monaten ihr Steuerkonzept vorstellte. In München haben sie nicht damit gerechnet, dass die Kanzlerin mit solcher Härte eine unpopuläre Regelung verteidigen würde, die nach dem für Herbst erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts wohl ohnehin verändert werden muss. Dass sie die Schwesterpartei mitten im Wahlkampf derart brüskieren würde, wie sie es bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Parteipräsidien Anfang Juni im bayerischen Erding tat. Dass sie die Bayern ein zweites Mal abblitzen lässt, nach dem Aus für den Transrapid zum Münchener Flughafen, das Lieblingsprojekt des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.

Erstaunt waren sie auch in Berlin. Wie konnten die Christsozialen glauben, dass sich die Kanzlerin bei einem reformpolitischen Symbolthema durch einen nicht abgestimmten Vorstoß öffentlich unter Druck setzen lässt? Dass sie ein Einfallstor öffnet für weitere finanzpolitische Begehrlichkeiten, von denen nicht zuletzt dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers gewiss noch einige einfallen würden? Dass sie noch an die nachhaltige Wirkung von Geldgeschenken für die Wählergunst glaubt, seit die zu Ostern beschlossene Rentenerhöhung stimmungspolitisch völlig verpuffte?

Dabei scheint es, was die Pendlerpauschale betrifft, derzeit gut zu laufen für die CSU. Selbst bei den Sozialdemokraten, deren Finanzminister Peer Steinbrück sich in Berlin so vehement gegen die Benzinzulage wehrt, fordern mittlerweile 9 von 16 Landesverbänden deren Wiedereinführung. Pünktlich zum Parteitag der Konkurrenz verlangte SPD-Spitzenkandidat Franz Maget die sofortige Einführung eines aus der Landeskasse bezahlten, sozial gestaffelten "Pendlergelds". Der Versuch, die christsoziale Regierungspartei zu übertrumpfen und sich gleichzeitig von ihr abzugrenzen, wirkte ein wenig hilflos.

Auch in der Wählergunst stehen die Christsozialen inzwischen wieder etwas besser da. Jüngste Umfragen sehen die Partei zwischen 48 und 50 Prozent der Stimmen. Da der Einzug von Freien Wählern und Linkspartei in den Landtag als unsicher gilt, reicht für die CSU unter Umständen auch ein deutlich schlechteres Ergebnis, um die absolute Mehrheit der Landtagssitze zu verteidigen. Ministerpräsident Günther Beckstein hat schon mit dem Hinweis vorgebaut, bei einem Resultat knapp unter 50 Prozent werde nicht "die Welt untergehen".

Weniger souverän wirkt, dass Beckstein bei der Vorstellung des CSU-Wahlprogramms am Montag warnte, die bayerischen Wähler wollten "keine Hängepartie wie in Hessen". Dabei wären die Verhältnisse auch bei einem Ende der absoluten Mehrheit ziemlich klar, zumindest die FDP hat schon ihre Koalitionsbereitschaft angedeutet. Allerdings hatte SPD-Chef Maget dem Regierungschef eine Vorlage für seine Angstvision geliefert - mit der Ankündigung, die CSU durch eine Viererkoalition unter Einschluss von Freien Wählern, Grünen und Liberalen ablösen zu wollen.

Damit zeichnet sich immerhin ab, dass die CSU in der Schlussphase des Wahlkampfs wieder stärker auf bayerische Themen setzen will, statt ihren Zwist mit der Kanzlerin zu pflegen. Selbst Beckstein, der die CDU wochenlang weitaus heftiger attackiert hatte als Parteichef Erwin Huber, hält sich jetzt öffentlich zurück und kündigt einen freundlichen Empfang für Merkel an. Und Huber sagt: "Wir können in Bayern auch ohne Wahlgeschenke erfolgreich regieren."

So haben es die Berliner schon immer gesehen - und sich gewundert, warum das CSU-Führungsduo sein Wahlkampfglück ausgerechnet im Konflikt mit der auch in Bayern populären Kanzlerin suchen wollte.

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