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Patzig und unkritisch

■ betr.: „Widerlicher Schlüsselloch journalismus“, taz vom 29.9.93

Daß Birgit Hogefeld sich aufregt und sich angegriffen fühlt nach der ungefragten und ungebetenen Veröffentlichung privater Geschehnisse, kann ich ihr nicht verdenken. So etwas erzeugt ein Gefühl des Ausgeliefertseins, des Sich-nicht-wehren-Könnens, das man sonst nur bei Personen des öffentlichen Lebens verzeichnen kann. Doch im Gegensatz zu Hogefeld haben letztere meist geradezu das Bedürfnis, mit allen Mitteln „nicht aus der Öffentlichkeit“ zu geraten. Der ungefragte Abdruck der Briefausschnitte in der taz war darum wohl eher Ausdruck eines journalistischen Reflexes auf solch (eingebildetes) Verlangen, als bewußte, sensible Berichterstattung.

Indes, die Situation ist da. Hogefeld muß sich jetzt erklären, will sie kein „Image“ eines durchgeknallten Starlets aufgesetzt bekommen. (Ja, auch seitens der taz ist so etwas möglich.) Da genügt es eben nicht, auf den Vorwurf der Bürgerlichkeit mit dem Infragestellen des Begriffs zu antworten oder trotzig zu fragen: „Warum denn nicht?“

Hat sie vergessen, wieviel eine Eltern-Kind-Beziehung ausmacht, bei der Abkehr von bürgerlichen Verhältnissen, wie sehr sie beiträgt zur Entwicklung elementarer Kritikfähigkeit? Der Effekt der Abgrenzung von den Eltern im Hinblick auf Individuation ist, so behaupte ich mal, auch unter den Leuten ein weitverbreitetes Phänomen, für die die RAF noch immer eine Avantgarde ist. Ihre Antwort ist, was diesen Punkt betrifft, einfach zu patzig und unkritisch. Winfried Redeke, Karlsruhe

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