Party erst in 20 Jahren

Seit gestern Morgen, 8.32 Uhr, ist das Atomkraftwerk Stade abgeschaltet. Rote und grüne Politiker feiern (sich), Umweltschützer sparen nicht mit Skepsis und Kritik

hamburg/stade taz ■ Mit der Stilllegung des Atomkraftwerkes Stade begann gestern der Atomausstieg – zumindest aus grüner Sicht. Bundesumweltminister Jürgen Trittin feierte das Ereignis mit einer Abschalt-Party in Berlin (Bericht Seite 8), Umweltschutzverbände hingegen sahen keinerlei Grund zum Feiern.

„Seit 8.32 Uhr speist die Anlage keinen Strom mehr ins Netz“, teilte gestern Vormittag Kraftwerksbetreiber E.ON mit. Aufsichtsratschef Walter Hohlefelder begründete das Abschalten des Druckwasserreaktors an der Unterelbe mit rein wirtschaftlichen Gründen. E.ON habe bereits im Oktober 2000, also vor dem Atomkonsens zwischen rot-grüner Bundesregierung und Energieversorgern, beschlossen, Überkapazitäten vom Netz zu nehmen. Der 1972 erbaute Reaktor Stade sei mit einer Größe von 630 Megawatt in Folge der Liberalisierung des Strommarktes „unwirtschaftlich“ geworden. Der auf zwölf Jahre angesetzte Abbruch in Stade werde rund 500 Millionen Euro kosten.

Bei den Umweltschutzorganisationen löste die Abschaltung des Atommeilers an der Unterelbe keine Jubelstürme aus. „Luftsprünge und eine Party gibt es erst, wenn das letzte Atomkraftwerk vom Netz ist“, so Susanne Ochse von Greenpeace. Die Bundesregierung müsse einen schnelleren Ausstieg auch gegen den Widerstand der Wirtschaft durchsetzen: „Die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung sind höher zu bewerten als die wirtschaftlichen Interessen der Industrie“, forderte Ochse. Auch der BUND verlangte ein höheres Tempo. Das Abschalten von Stade sei nicht der Anfang eines echten Ausstiegs.

Gegen „Legendenbildung“ ergriff auch der „Aktionskreis Stilllegen sofort“ das Wort. Stade sei nicht wegen rot-grüner Politik abgeschaltet worden, sondern sei „allein Opfer seiner Unwirtschaftlichkeit“, so Aktionskreis-Sprecher Karsten Hinrichsen aus Brokdorf. Im Gegenteil habe die Bundesregierung im Atomkonsens „Bestandsschutz“ für Reaktoren garantiert und Atommüll-Zwischenlager auf dem Werksgelände „als Entsorgungsnachweis“ akzeptiert. Ein solches Zwischenlager wird jetzt auch in Stade errichtet. Besser wäre es, meint Hinrichsen, „den Betrieb von AKWs zu untersagen, weil es kein Endlager für den hochradioaktiven Abfall gibt“.

Ungeachtet dessen feierten sich gestern rot-grüne PolitikerInnen im Norden. An den „langen Kampf für das Ende der Atomenergie“ erinnerte Schleswig-Holsteins SPD-Chef und früherer Energieminister Claus Möller. Seine Partei habe bereits „in den 80er Jahren eine Pionierfunktion“ übernommen. Die grünen LandeschefInnen Marion Barsuhn und Björn Pistol verkündeten, nun sei auch das Ende der Meiler Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf „absehbar“.

Stimmt: Rein rechnerisch in 20 Jahren. sven-michael veit