Parteiinterner Zoff: Linke streitet über Geheimdienste
Einst waren sich die Linken einig: Geheimdienste müssen weg. Heute sehen das längst nicht mehr alle Mitglieder der Bundestagsfraktion so.
BERLIN taz Sind Geheimdienste grundsätzlich legitim oder gehören sie abgeschafft, weil sie am Rechtsstaat nagen? Seit den Verbrechen von Gestapo und Stasi wird diese Frage vor allem in der gesellschaftlichen Linken lebhaft diskutiert. Bei den Parteien, genauer: bei SPD und Grünen hat sich inzwischen weitgehend erstere Lesart durchgesetzt. Doch bei der Linkspartei gibt es zum Thema BND und Co derzeit heftigen Krach.
Auf ihrem Parteitag am Wochenende im brandenburgischen Cottbus wird der Streit eskalieren. Die zahlreichen Geheimdienstkritiker haben sich mit einem Dringlichkeitsantrag in Position gebracht. Darin heißt es, derzeit könne man den Eindruck gewinnen, dass die Linkspartei "sich mit der Tatsache des Bestehens von Geheimdiensten abfindet". Dabei sei eine Kontrolle der Dienste "nicht möglich". Deshalb möge der Parteitag "klare Position beziehen und die Abschaffung der Geheimdienste fordern".
Der Antrag hat einen Adressaten: Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion. Er hatte vor zehn Tagen einen Gesetzentwurf zur besseren Kontrolle der Geheimdienste vorgelegt und damit etliche seiner Fraktionskollegen aufgeschreckt.
"Neskovic war wohl zu lange in der Sonne", zürnte Fraktionsvize Bodo Ramelow, der derzeit in Italien weilt. Seit er selbst vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, sieht Ramelow die Schnüffelbehörden mit großer Skepsis. Innenpolitikerin Ulla Jelpke ging noch weiter und konterte die Kontrollvorschläge mit der Forderung nach "Abschaffung des Verfassungsschutzes - als Maßnahme zum Schutz der Grundrechte." Und als Neskovic erst drei Tage vor der Presse seine Kollegen im Arbeitskreis in seine Überlegungen einweihte, soll auch Petra Pau sich lautstark darüber beschwert haben, dass er den Vorstoß mit niemandem abgestimmt hatte.
Zwei Ideen ärgern die zahlreichen Geheimdienstkritiker in der Partei besonders: So sollen Abgeordnete künftig zu exklusiven Treffen wie der Präsidentenrunde und der nachrichtendienstlichen Lage im Kanzleramt Zugang erhalten. Zudem soll das parlamentarische Kontrollgremium mit Dreiviertelmehrheit erlauben können, Parlamentarier zu bespitzeln. Schnüffler, so der Umkehrschluss, hält Neskovic also generell für legitim.
Starker Tobak für eine Partei, die sich im Jahr 1998 noch die "Abschaffung der Dienste" und 2005 des "großen Lauschangriffs" ins Programm schrieb.
Solcherlei Fundamentalpositionen sind für Neskovic völlig realitätsfern. "Es gibt zu Recht kein Land der Welt, das auf Nachrichtendienste verzichtet - auch nicht Kuba", hält der ehemalige Bundesrichter dagegen. "Es gibt Infos, die nicht auf dem freien Markt erhältlich sind, aber vom Staat dringend benötigt werden, um seine Bürger und seine Werteordnung zu schützen." Nur müsse eben das Kontrolldefizit behoben werden. Genau dazu wolle er mit seinem Entwurf beitragen. VEIT MEDICK
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