Partei ohne Rückspiegel: SPD verdrängt Beck-Putsch
Kurt Beck beschuldigt die SPD-Spitze des Verrats. Doch die redet sich glücklich: Die Agenda 2010 ist Zeitgeschichte - und Becks Sturz schon fast vergessen.
BERLIN taz Nein, sagt Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD. "Das Präsidium der SPD hat nicht über Kurt Beck geredet." Heil erklärt den Hauptstadtjournalisten jeden Montag im Willy-Brandt-Haus, wie die SPD die Welt sieht. Er bevorzugt um Prägnanz bemühte, ausführliche Antworten. Doch beim Thema Beck ist Heil sehr kurz angebunden. Nächste Frage.
Der Ex-SPD-Chef Kurt Beck verbreitet derzeit eine neue Version seines Rücktritts. Vor kurzem hatte er noch nebelig "die zweite Reihe" beschuldigt. In seiner Autobiografie, die Montag in Auszügen von Bild vorabgedruckt wurde, klingt das anders. In "fröhlicher Stimmung" habe er sich mit Steinmeier und Müntefering darauf geeinigt, dass Steinmeier Kanzlerkandidat wird. Doch zwei Tage später stand in den Zeitungen, dass er, Beck, dazu gedrängt werden musste. Das war zu viel. Zu den Angriffen aus den eigenen Reihen kam nun "der Verdacht eines Bruchs der Vertraulichkeit hinzu, den ich gegen das Umfeld der unmittelbar Beteiligen hege. Wer außer den in die Absprache Eingeweihten konnte sie so früh ausplaudern?"
Das klingt kompliziert, ist aber Klartext: Steinmeier oder Müntefering, oder beide, haben den gemeinsamen Plan verraten und Beck hinterrücks als Dummkopf angeschwärzt. Becks Rücktritt war kein Unfall, sondern ein kalter Putsch. Wenn es so war, erscheinen die schauspielerischen Talente von Frank-Walter Steinmeier in ganz neuem Licht. Denn der hatte am Schwielowsee mit professioneller Leichenbittermiene seine tiefe Bestürzung über Becks Rückzug vom Parteivorsitz geäußert.
Hubertus Heil sagt zu Becks Buch: "Ich möchte das nicht bewerten." Und dass derzeit viele Bücher über die SPD erscheinen, weil bald in Frankfurt Buchmesse ist. Will sagen: Kurt Beck will bloß sein Buch verkaufen. Eine PR-Aktion und nichts Ernstes, das die Partei sorgen müsste. Aber so nebensächlich ist die Frage, ob Müntefering und Steinmeier Beck gezielt gestürzt haben, dann doch nicht.
Die SPD will geschlossen wirken. Sie will den Eindruck erwecken, dass die Flügel befriedet sind, man mit Steinmeier endlich einen aussichtsreichen Kanzlerkandidaten, mit Müntefering bald einen schneidigen Chef hat. Es geht voran, so die neue SPD-Formel. Beck ist Vergangenheit - genauso wie die Agenda 2010, die laut neuester SPD-Sprachregelung ein "erfolgreiches Kapitel der jüngsten Zeitgeschichte" ist. Und damit abgeschlossen. Die Wunden sind verheilt, es ist alles in Ordnung. Das ist die Geschichte, die die SPD-Spitze sich derzeit selbst zu erzählen versucht. Sie hört sie so gerne, dass sie sie oft wiederholt. Aber es ist ein Reden, das viel Schweigen einschließt.
Die SPD, sagt Heil, "guckt nicht in den Rückspiegel". Das soll selbstbewusst klingen. Mitunter endet das aber mit Totalschaden. STEFAN REINECKE
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